Grabinschriften von Klabund
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Hier ruht der ehrenwerte General Don Ferdinando D’Or. |
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(Er bekleidete nämlich diese Charge im Staate Ecuador.) |
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Seine Brust war bedeckt mit Ehrenzeichen und Symbolen. |
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(Die er auf zahlreichen Fahrten sich zusammengestohlen.) |
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Erschüttert steht ganz Ecuador an seiner Bahre. |
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Er starb glorreich im dreiundfünfzigsten Jahre. |
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In offener Feldschlacht (infolge eines Rückenschusses) mußt er ins Jenseits wandern, |
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(weil er sein eigenes Pferd verwechselte mit einem andern.) |
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Pierrot. |
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Hier ruht Pierrot, der leichte Schwerenöter. |
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Ach, er ist tot! Der Himmel, böt er |
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auch alles auf, ihn wiederzuerwecken: |
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Er bliebe doch bei einem Herzen stecken. |
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Doch weit in tausend Frauenherzen verstreute Pierrot sein Leben. |
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Es hat in seiner Brust tausend Herzen gegeben. |
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Und ob auch manche Frau ihr Herz als Sühne bot: |
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Pierrot ist tot, ganz tot, er ist entsetzlich tot. |
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Die Jungfrau. |
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Hier ruht die Jungfrau Emma Puck aus Hinterstallupeinen, |
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eine Mutter hatte sie eine, einen Vater hatte sie keinen. |
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In Unschuld erwuchs sie auf dem Land wie eine Lilie. |
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Da kam sie in die Stadt zu einer Rechnungsratsfamilie. |
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Hier hat sich erst ihr wahres Herz gezeigt, |
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indem sie gar nicht mehr zur Jungfrau hingeneigt. |
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Bald kam das erste Kind. Was half da alles Greinen! |
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Männer hatte sie viel, aber einen Mann hatte sie keinen. |
Details zum Gedicht „Grabinschriften“
Klabund
5
26
203
1927
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Grabinschriften“ stammt von Klabund, einem deutschen Schriftsteller und Dichter der Expressionismus-Epoche. Klabund wurde am 4. November 1890 geboren und starb am 14. August 1928. Das Gedicht kann daher in die Zeit des frühen 20. Jahrhunderts eingeordnet werden.
Der erste Eindruck des Gedichts ist geprägt von seiner humorvollen und ironischen Art. Der Titel „Grabinschriften“ sowie die Beschreibung verschiedener Charaktere und deren Tod suggeriert eine nachdenkliche Stimmung, jedoch spielen hier Satire und Humor eine entscheidende Rolle.
Im Gedicht stellt Klabund drei sehr unterschiedliche Charaktere vor: den General Don Ferdinando D’Or, Pierrot und die Jungfrau Emma Puck. Diese Charaktere repräsentieren jeweils verschiedene Gesellschaftsschichten und Lebensstile. Der General steht symoblisch für den Krieg, Machtspiel und Scheinheiligkeit: er fällt in der Schlacht, ironischerweise aufgrund eines einfachen Irrtums. Pierrot repräsentiert den hedonistischen Schürzenjäger, der sein Leben in vollen Zügen auslebt, während Emma Puck als unschuldiges Landmädchen eingeführt wird, das das „wahre“ städtische Leben erst entdeckt und dabei ihre Jungfräulichkeit und Unschuld verliert.
Bezüglich der Form und Sprache des Gedichts ist bemerkenswert, dass es in freien Versen geschrieben ist, das heißt, es gibt kein festes Reimschema oder Metrum. Jedoch lässt Klabund in jeder Strophe eine gewisse Regelmäßigkeit erkennen, indem er die Verse in Gruppen anordnet. Die Sprache ist einfach und verständlich, jedoch mit einem durchdringenden Gefühl von Ironie und Satire. Zudem benutzt Klabund Klammern, um einen Kontrast zwischen der offiziellen Beschreibung und der tatsächlichen Geschichte der Charaktere zu erzeugen.
Das lyrische Ich in diesem Gedicht ist der Beobachter und Erzähler, der uns diese Geschichten mit einer gewissen Distanz und Ironie präsentiert. Es scheint, als wolle Klabund durch diese Darstellung die Heuchelei und Falschheit in der Gesellschaft aufdecken und anklagen.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Grabinschriften“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Klabund. Der Autor Klabund wurde 1890 in Crossen an der Oder geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1927. Der Erscheinungsort ist Berlin. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das Gedicht besteht aus 26 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 203 Worte. Die Gedichte „Ballade“, „Baumblüte in Werder“ und „Bauz“ sind weitere Werke des Autors Klabund. Zum Autor des Gedichtes „Grabinschriften“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 139 Gedichte vor.
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Zum Autor Klabund sind auf abi-pur.de 139 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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