Gott im Himmel sieh darein! von Louise Otto-Peters

Das Alphorn tönt, die Hirtin zieht zur Senne,
Die Heerdenglocken klingeln vor ihr her,
Und sicher, daß er keinen Stein verkenne
Steigt dort der Bursche mit dem Schießgewehr
Empor zur Alp’, die Gemse zu erjagen,
Auf Felsenpfaden, die ins Blaue ragen.
 
Das Gletschereis glänzt bunt in Frührotsschimmer,
Rot glüht die Firn und dunkel dampft der See,
Hier Blüthenpracht, dort ewges Eisgeflimmer,
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Hier grüne Matte, droben weißer Schnee!
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Lawinen drohen von der Berge Warten –
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Das ist die Schweiz der schöne Gottesgarten
 
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Und feig versteckt im weiten Priesterkleide
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Mit Gift und Kette wandelt der Verrat,
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Ein Volk zu knechten, das ein Tell befreite,
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Aus dessen Mitte einst ein Zwingli trat,
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Gar finstre Macht wohnt in des Landes Mitten
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Das ist die Schweiz! und das sind Jesuiten!
 
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Kanonen donnern dumpf und Kugeln fliegen –
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O, das ist mehr, ist mehr als Gemsenjagd.
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Ach, das sind Brüder, die sich wild bekriegen
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Das Bruderblut ist’s das zum Himmel klagt,
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Ein Fluch, der allwärts folgt der Heuchler Schritten –
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Das ist die Schweiz! – und das sind Jesuiten!“
 
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Ich schaue hier und bebe – soll ich beten?
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So reich gesegnet hat der Herr dies Land.
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Frei darf nicht nur der Strom, der Vogel reden,
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Frei auch der Mensch die Feder in der Hand,
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Frei darf das Volk im freien Rate sitzen,
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Frei die Vertriebnen andrer Staaten schützen.
 
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So viel, so viel hat Gott der Schweiz gegeben –
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Traun viel um das es uns zu bitten not –
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Er gab ihr Alles, was sie braucht zum Leben,
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Zum freien Leben – andres ist nur Tod.
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Fast Frevel scheint’s bei so viel Heil zu bitten –
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So sei’s denn Fluch – – Verflucht die Jesuiten
 
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Ich schaue hin und bebe – soll ich fluchen?
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Ja, ja ich darf’s, ich ruf den Himmel an!
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Die eine Hölle in dies Eden trugen
40 
Sie sind verflucht, die solchen Greul gethan! –
41 
Sieh Gott darein! – das ist mein brünstig Bitten –
42 
Heil sei der Schweiz! – Fluch sei den Jesuiten.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.3 KB)

Details zum Gedicht „Gott im Himmel sieh darein!“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
318
Entstehungsjahr
1840-1850
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Gott im Himmel sieh darein!“ stammt von Louise Otto-Peters, einer deutschen Schriftstellerin, die von 1819 bis 1895 lebte. Das Gedicht wurde also im späten 19. Jahrhundert verfasst, einer Zeit, in der die politischen und sozialen Bedingungen in Deutschland und Europa stark diskutiert wurden.

Auf den ersten Blick erscheint das Gedicht aufgrund seiner bildhaften und detaillierten Beschreibungen der Schweizer Landschaft und Natur tiefsinnig und eindrucksvoll. Dennoch lässt das Gedicht keinen Romantik-Stil vermuten, sondern eher eine kritisierende und politische Ausrichtung.

Das Gedicht beginnt mit einer Idylle der alpinen Natur, in der Hirten ihre Arbeit verrichten und die Gemsenjagd stattfindet. Allerdings wird das anfängliche Bild der Harmonie durch die anschließenden Strophen kontrastiert, in denen Konflikte und Kriege angedeutet werden. Die Existenz von Priestern wird als Bedrohung dargestellt. Letzteres ist eine klare Anspielung auf die Rolle der katholischen Kirche, insbesondere der Jesuiten, in der Gesellschaft und Politik der damaligen Zeit.

Von Strophe zu Strophe wird die politische Dimension des Gedichts immer deutlicher. Das lyrische Ich formuliert Kritik an der Kette und dem Gift (Symbol für Manipulation und Machtmissbrauch) der Priester, der Verfolgung von freien Bürgern und Ausübung von Machtherrschaft. Die Schweiz wird als Land der Freiheit und der Naturschönheit, aber auch als Ort des inneren und äußeren Kampfes dargestellt. In der letzten Strophe ruft das lyrische Ich sogar dazu auf, die Jesuiten zu verfluchen und betet für die Bewahrung der Freiheit der Schweiz.

Die sprachliche Gestaltung des Gedichts ist klar und eindringlich, ohne allzu poetische und verschleierte Formulierungen. Es besteht hauptsächlich aus sechszeiligen Strophen, die jeweils aus vier Hebungen und drei Senkungen bestehen. Dieses klassische Metrum sorgt für einen rhythmischen und stringenten Verlauf des Gedichts.

Zusammenfassend ist das Gedicht „Gott im Himmel sieh darein!“ von Louise Otto-Peters eine politische und sozialkritische Reflexion der damaligen Zeit, die die Missstände der Gesellschaft und Politik, insbesondere der Rolle der katholischen Kirche, aufführt und zur Bewahrung der Freiheit und Unabhängigkeit aufruft.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Gott im Himmel sieh darein!“ der Autorin Louise Otto-Peters. 1819 wurde Otto-Peters in Meißen geboren. Im Jahr 1850 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her der Epoche Realismus zuordnen. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das vorliegende Gedicht umfasst 318 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 42 Versen. Louise Otto-Peters ist auch die Autorin für das Gedicht „An Alfred Meißner“, „An August Peters“ und „An Byron“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Gott im Himmel sieh darein!“ weitere 106 Gedichte vor.

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