Golgatha von Erich Mühsam

Gebeugte Menschen mit stumpfem Blick
hocken in dumpfen Spelunken.
Den Neid im Auge, die Not im Genick,
von elendem Fusel trunken.
Da tönt eine Stimme von außen herein:
„Kopf hoch! Ihr seid nicht verloren.
Ich füll eure Becher mit goldenem Wein.
Auch euch ist der Heiland geboren.
Heraus ins Freie und folgt mir nach,
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wo Schätze liegen!“
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Die Stimme des Mannes, die also sprach,
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hat plötzlich geschwiegen,
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Ein Scherge führt ihn gefesselt fort.
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Den Menschen aber da drinnen
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Klingt seiner Rede lockendes Wort
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wie ferner Traum in den Sinnen.
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Sie senken den Kopf auf des Tisches Brett
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und trinken mit heiserem Lachen . . .
 
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Ein Jude zog aus von Nazareth,
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die Armen glücklich zu machen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Golgatha“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
113
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Golgatha“ stammt von dem sozialistischen Dichter und Schriftsteller Erich Mühsam, der von 1878 bis 1934 lebte. Er schrieb in der Zeit der Weimarer Republik und des beginnenden Nationalsozialismus. Das Gedicht wirkt auf den ersten Eindruck düster und hoffnungslos aber mit einem Hauch von Hoffnung und Rebellion.

Im ersten Abschnitt wird eine Szene beschrieben, in der sich gebeugte und traurige Menschen in dunklen und engen Räumen aufhalten, sie sind betrunken und von Not und Elend gezeichnet. Plötzlich erscheint eine Stimme von außen, die sie aufruft, Hoffnung zu haben und dem Sprecher in die Freiheit zu folgen. Dieser Sprecher wird anschließend jedoch von einer Autoritätsperson gefangen genommen und weggeführt, während sein aufrüttelnder Ruf in den Köpfen der Menschen zurückbleibt, die ihren Mut jedoch schnell wieder verlieren und sich in ihr Elend zurückziehen.

Im zweiten Abschnitt wird ein Hinweis auf die biblische Figur Jesus gegeben, der ebenfalls auszog, um den Armen zu helfen. Dies kann als Anspielung auf die Rolle des Sprechers im ersten Abschnitt gesehen werden, der ähnlich wie Christus von den Obrigkeiten verfolgt wird, nachdem er versucht hat den Armen Hoffnung zu geben.

Formal gesehen besteht das Gedicht aus zwei Strophen mit insgesamt 20 Versen. Es wird eine einfache und direkte Sprache verwendet, die es leicht macht, die ernste Botschaft des Gedichtes zu verstehen. Es spiegelt die Rolle des Dichters als Agitator wider, der mit seiner Poesie soziale Ungerechtigkeiten anprangern und die Menschen zum Nachdenken anregen wollte.

Inhaltlich geht es also um Armut, Resignation, Rebellion und Hoffnung. Mühsam kritisiert die sozialen Zustände und regt zum Nachdenken und Handeln an. Er zeigt auf bittere Weise die Brutalität und Hoffnungslosigkeit auf, mit der sich arme Menschen konfrontiert sehen, und stellt den Kreuzweg Christi als Metapher für den Kampf gegen diese Ungerechtigkeit dar. Es kann also als sozialkritisches und anarchistisches Gedicht gesehen werden.

Weitere Informationen

Erich Mühsam ist der Autor des Gedichtes „Golgatha“. Im Jahr 1878 wurde Mühsam in Berlin geboren. Im Jahr 1920 ist das Gedicht entstanden. In München ist der Text erschienen. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Expressionismus zu. Mühsam ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 113 Worte. Weitere Werke des Dichters Erich Mühsam sind „1919“, „An die Dichter“ und „An die Soldaten“. Zum Autor des Gedichtes „Golgatha“ haben wir auf abi-pur.de weitere 57 Gedichte veröffentlicht.

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