Der Christbaum im k.k. Militär-Invalidenhause, am 24. Dezember um 5 Uhr abends von Franz Grillparzer

So ist ein Jahr denn nun vorbeigegangen,
Seit uns der Christbaum eben hier vereint,
Und manches dachte still wohl mit Verlangen,
Ob uns ein gleicher Tag auch nächstes Jahr erscheint?
 
Der Priester, der uns etwa gern erfreute,
Er ist nicht reich, das Beste denn gebricht,
Und ob ihm beistehn wohlgesinnte Leute,
Wir hoffens wohl, allein wir wissens nicht.
 
Und siehe da, zu gleichgemeßnen Zeiten
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Eröffnet sich von neuem auch der Saal:
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Ihr seht schon die Geschenke dort von weiten
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Und alles glänzt in heller Lichter Strahl.
 
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Ihr Kinder, so wie hier ists auch im Leben,
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Das voll von Müh und Sorgen aller Art,
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Doch jedem ist ein Christbaum auch gegeben,
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Wenn er nur ruhig hofft und gläubig harrt.
 
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Vor allem aber zähmt den Eigenwillen,
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Denn der die Gaben gibt und uns beschert,
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Er kennt das Gute und er sorgt im stillen
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Nicht nach dem Schein, er gibt nur nach dem Wert.
 
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Der eine wollte Spielzeug und statt dessen
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Wird ihm ein Kleid, das vor der Kälte schützt;
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Der andre möchte Leckereien essen,
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Er findet Speise, die nur nährt und nützt.
 
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Wenn er zurückweist nun die fromme Gabe,
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Muß warten er oft länger als ein Jahr,
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Und mancher ging als Bettler schon zu Grabe,
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Weil er nicht nahm, was ihm beschieden war.
 
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Drum, Kinder, bleibt auch Kinder. Zwar bei weiten
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An Einsicht etwa nicht und an Verstand,
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Denn ihr sollt lernen, fort in jedem schreiten,
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Zum Nutzen euch, den Eltern und dem Land.
 
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Allein im Herzen, in des Innern letzter Mitte,
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Bleib euch ein Teil von dem, was jetzt ihr seid,
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Gehorsam, der nun zügelt eure Schritte,
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Ein warmes Fühlen und Genügsamkeit.
 
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Dann kommt der Tag, seid dessen nur nicht bange,
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Der euch schon hier für alles schadlos hält,
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Und zögerte der Christbaum gar zu lange,
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Die Weihnacht dann in einer bessern Welt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.9 KB)

Details zum Gedicht „Der Christbaum im k.k. Militär-Invalidenhause, am 24. Dezember um 5 Uhr abends“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
302
Entstehungsjahr
1791 - 1872
Epoche
Biedermeier,
Realismus

Gedicht-Analyse

Franz Grillparzer ist der Autor des Gedichtes „Der Christbaum im k.k. Militär-Invalidenhause, am 24. Dezember um 5 Uhr abends“. 1791 wurde Grillparzer in Wien geboren. Im Zeitraum zwischen 1807 und 1872 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Biedermeier oder Realismus zuordnen. Bei Grillparzer handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 302 Wörter. Es baut sich aus 10 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Franz Grillparzer sind „Abschied von Gastein“, „Am Hügel“ und „Am Morgen nach einem Sturm“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Christbaum im k.k. Militär-Invalidenhause, am 24. Dezember um 5 Uhr abends“ weitere 300 Gedichte vor.

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