Gestört von Wilhelm Busch

Um acht, als seine werte Sippe
Noch in den Federn schlummernd lag,
Begrüßt er von der Felsenklippe
Bereits den neuen Frühlingstag.
 
Und wie die angenehme Sonne
Liebreich zu ihm herniederschaut,
Da ist in süßer Rieselwonne
Sein ganzes Wesen aufgetaut.
 
Es schmilzt die schwere Außenhülle.
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Ihm wird so wohl, ihm wird so leicht.
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Er schwebt im Geist als freier Wille
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Hinaus, so weit das Auge reicht.
 
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Fort über Tal, zu fernen Hügeln,
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Den Strom entlang, bis an das Meer,
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Windeilig, wie auf Möwenflügeln,
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Zieht er in hoher Luft einher.
 
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Hier traf er eine Wetterwolke.
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Die wählt er sich zum Herrschersitz.
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Erhaben über allem Volke
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Thront er in Regen, Sturm und Blitz.
 
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O weh, der Zauber ist zu Ende.
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Durchweicht vom Hut bis in die Schuh,
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Der Buckel steif und lahm die Lende,
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So schleicht er still der Heimat zu.
 
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Zum Trost für seine kalten Glieder
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Empfängt ihn gleich ein warmer Gruß.
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Na, hieß es, jetzt bekommst du wieder
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Dein Reißen in den Hinterfuß.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.9 KB)

Details zum Gedicht „Gestört“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
162
Entstehungsjahr
nach 1848
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht mit dem Titel „Gestört“ wurde von Wilhelm Busch verfasst, der vom 15. April 1832 bis zum 9. Januar 1908 lebte. Dies platziert das Gedicht in der Epoche des Realismus (1848–1890), die durch eine fokussierte Darstellung der Wirklichkeit gekennzeichnet war.

Auf den ersten Blick erscheint das Gedicht wie eine leichte, naturverbundene Poesie, die eine Begegnung mit einem Frühlingstag und den Gedanken des lyrischen Ich schildert. Allerdings deutet der Titel des Gedichts „Gestört“ bereits eine mögliche Komplikation abseits der harmonischen Idylle an.

Inhaltlich erzählt das Gedicht den Morgen eines Mannes, der früh aufsteht und den beginnenden Frühlingstag begrüßt. Durch die Wärme der Sonne wird sein „ganzes Wesen aufgetaut“ und er fühlt sich frei und leicht. In einem Zustand der Glückseligkeit schwebt er regelrecht über die Landschaft hinweg, seine Aufheiterung scheint grenzenlos. In seiner Einbildung thront er, herrschaftlich und unbesiegbar, über einer Wetterwolke. Doch dieses Glücksgefühl wird gestört, er wird von der Wirklichkeit eingeholt und findet sich nass und erschöpft in seiner tatsächlichen Umgebung wieder.

Die zentrale Aussage des lyrischen Ichs kann als eine Art Verherrlichung der Natur und deren beeindruckender Wirkung auf den menschlichen Geist gesehen werden. Durch die Natur erlebt das Ich eine Erhebung seines Geistes, fühlt sich frei und erhaben. Die harte Realität, repräsentiert durch das Wetter und seine körperlichen Beschwerden, beendet jedoch schließlich diesen Zustand.

In Bezug auf die Form besteht das Gedicht aus sieben vierzeiligen Strophen. Jede Strophe hält sich an ein einheitliches Reimschema (abab). Sprachlich verwendet Busch eine direkte, anschauliche Sprache. Für den Ausdruck der euphorischen Gefühle des lyrischen Ichs nutzt er metaphorische Bilder, wie das „Schmelzen“ der „schweren Außenhülle“ oder das „Schweben“ auf „Möwenflügeln“. Die unerwartete Wendung zum Ende des Gedichts mit dem körperlichen Unbehagen des Ichs bringt sowie die spöttische Reaktion auf seine Rückkehr zeigt einen charakteristischen schwarzen Humor, der typisch ist für Buschs Werke. Insgesamt stellt das Gedicht eine scheinbar humorvolle, aber in Wahrheit eher melancholische Reflektion über die Macht der Natur und die Grenzen menschlicher Kontrolle und Freiheit dar.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Gestört“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Wilhelm Busch. 1832 wurde Busch in Wiedensahl geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1848 bis 1908 entstanden. Wiesbaden u. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zu. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 162 Worte. Wilhelm Busch ist auch der Autor für Gedichte wie „Auf Wiedersehn“, „Auf den Sonntag früh Morgen“ und „Bedächtig“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Gestört“ weitere 208 Gedichte vor.

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