Geständnis von Louise Otto-Peters

Es ahnet niemand meines Herzens Regen,
Das dunkle Meer von meiner Seele Tiefen,
Wie seine Wogen endlos sich bewegen
Und wilde Stürme aus dem Grunde riefen!
 
Es ahnt es niemand – auch das Meer verhehlet,
Was es verbirgt in seinem tiefsten Grunde,
Zuweilen nur ist’s, daß ein Sturm erzählet
Von seinem Innern mit beredtem Munde.
 
So ist wohl mir auch manch ein Lied entquollen,
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Den Kampf des eignen Herzens zu begleiten,
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Doch sah ich’s gern vergessen und verschollen
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Vor den Trommetenschmettern dieser Zeiten.
 
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Ich stieß ja selber in die Lärmtrommete,
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Die trägen Völker aus dem Schlaf zu rütteln’
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Ich mahnte immerdar mit lauter Rede:
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„Der Knechtschaft Ketten müßt ihr von Euch schütteln!“
 
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Ich warf mich in das regste Weltgetriebe
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Und sprach von Freiheit, Recht, vom Vaterlande!
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Doch schwieg ich immer von der Glut der Liebe,
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Die mir im Innern unverlöschbar brannte. –
 
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Wohl weiß ich wie die flache Welt entscheidet –
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Was man nicht laut verkündet auf den Gassen,
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Was nicht in Worten ihr vorüber gleitet,
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Das kann sie nicht verstehen und nicht fassen.
 
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Drum ahnet niemand meines Innern Regen,
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Drum hat kein Herz das meine ganz verstanden!
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Wo laut es pocht im stürmischen Bewegen,
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Verstummt der Mund, und liegt das Wort in Banden.
 
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So muß ich unerkannt durchs Leben gehen,
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Dem Strome gleich, der sich durch Felsen windet;
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Die Nächsten mir seh’ ich am Ufer stehen,
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Wo jede Tiefe ja zur Schwachheit schwindet.
 
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Es ist mein Los! – ich kann um Lieb’ nicht bitten,
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Doch lieben kann ich noch aus tiefstem Herzen.
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Um laut zu künden, was ich still gelitten,
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Zu heilig sind mir meiner Liebe Schmerzen!
 
37 
II.
 
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Und weil ich schwieg und weil in keuscher Scheue
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Ich nimmer auf dem offnen Markt gesungen,
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Von meiner Seele ew’ger Liebestreue,
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Von meines Herzens süßen Huldigungen:
 
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Meint Ihr, ich sei kein fühlend Weib geblieben,
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Indes der Freiheit Fahne ich getragen?
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Ich hab’ verlernt zu dulden und zu lieben,
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Weil meine Lieder keine Liebesklagen?
 
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O arme Thoren, die Ihr noch könnt wähnen,
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Daß stille Lieb’ und lautes Wort sich einen,
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Daß wir die heiligsten von unsern Thränen
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Vor aller Welt vermögen auszuweinen.
 
50 
Hört Ihr die Nachtigall am Tage schlagen
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In lauter Menschen emsigem Gewimmel?
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Sie wird zur Nacht im stillen Haine klagen,
53 
Den Menschen nicht, sie singt ihr Lied dem Himmel.
 
54 
Die Lerche aber singt im Sonnenscheine,
55 
Sie ruft die Menschen wach zu neuen Thaten.
56 
Wo sie der Arbeit pflegen im Vereine,
57 
Schwebt sie am liebsten ob den grünen Saaten.
 
58 
So hab’ ich Euch als Lerche aufgewecket,
59 
Das Morgenlied der Freiheit vorgesungen,
60 
Als Nachtigall hab’ ich mich tief verstecket –:
61 
Das Lied der Liebe ist in Nacht verklungen!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29.6 KB)

Details zum Gedicht „Geständnis“

Anzahl Strophen
16
Anzahl Verse
61
Anzahl Wörter
434
Entstehungsjahr
1850-1860
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das vorgelegte Gedicht stammt von Louise Otto-Peters, eine Schriftstellerin und Frauenrechtlerin, die von 1819 bis 1895 in Deutschland lebte. Otto-Peters war Teil der bürgerlichen Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts und setzte sich aktiv für Frauenrechte und soziale Gerechtigkeit ein.

Auf den ersten Eindruck hinterlässt das Gedicht den Eindruck eines inneren Kampfes und einer Selbstreflexion des lyrischen Ichs. Es spiegelt Themen wie Selbstausdruck, Emotionen und gesellschaftliche Wahrnehmung wider, gepaart mit einer starken Bezugnahme zur Natur. Das Gedicht besteht aus 16 Strophen mit insgesamt 61 Versen.

Das lyrische Ich spricht von einem unerkannten und unbekannten inneren Zustand, der wie die Tiefe des Meeres ist und voller Emotionen, von denen keiner weiß. In den ersten Strophen wird das Bild eines unbekannten, tiefen Meeres mit seinen Geheimnissen hervorgehoben, ein Symbol, das auf die unausgesprochenen und tiefgründigen Gefühle des lyrischen Ichs hinweist. Es betont, dass es für Freiheit, Recht und Vaterland gesprochen hat, jedoch stets über die „Glut der Liebe“ geschwiegen hat, die in ihrem Inneren brennt.

Zusätzlich zur Thematisierung ihrer Gefühle, spricht das lyrische Ich auch von seiner eigenen Rolle und Wahrnehmung in der Gesellschaft. Es fühlt sich missverstanden und unverstanden, eine Wahrnehmung, die durch die Worte „unerkannt durchs Leben gehen“ und „Die Nächsten mir seh’ ich am Ufer stehen“ zum Ausdruck gebracht wird. Sie fühlt eine Trennung zwischen sich und den anderen und fühlt, dass ihre Tiefe als Schwachheit angesehen wird.

Das Gedicht besitzt keinen festen Reimschema, weist aber einen ziemlich konsistenten Rhythmus auf. Der Sprachstil ist emotional und bildhaft, mit starken Bezügen zur Natur, insbesondere zum Bild des Meeres. Es bedient sich einer eher gehobenen und bildhaften Sprache, um metaphorisch auf die emotionale Landschaft des lyrischen Ichs einzugehen. Insgesamt verstärkt das die tiefgründige, emotional geprägte Atmosphäre des Gedichts.

Letztendlich zeigt Louise Otto-Peters' Gedicht eine private Seite ihrer Persönlichkeit und Emotionen, die sonst in der Öffentlichkeit übersehen oder ignoriert wurden. Es ist gleichzeitig eine Reflexion über die Begrenzungen der öffentlichen Wahrnehmung und das Ausmaß, in dem private Empfindungen stumm bleiben.

Weitere Informationen

Louise Otto-Peters ist die Autorin des Gedichtes „Geständnis“. Im Jahr 1819 wurde Otto-Peters in Meißen geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1860. In Leipzig ist der Text erschienen. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her lässt sich das Gedicht der Epoche Realismus zuordnen. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das vorliegende Gedicht umfasst 434 Wörter. Es baut sich aus 16 Strophen auf und besteht aus 61 Versen. Die Dichterin Louise Otto-Peters ist auch die Autorin für Gedichte wie „An Richard Wagner“, „Auf dem Kynast“ und „Bergbau“. Zur Autorin des Gedichtes „Geständnis“ haben wir auf abi-pur.de weitere 106 Gedichte veröffentlicht.

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