Gestoßener Seufzer von Kurt Tucholsky

Kreuzt mir die Lustjacht in der Badewanne?
Knirscht mir das Auto auf dem gelben Kies?
Bräunt mir das Roßbüff in der Kupferpfanne?
Blitzt mir am Hemd der Diamant-Türkis?
Hin hauch ich einen Seufzer des Verzichts:
ich brings zu nichts.
 
Ich weiß nicht, was das ist und wie ichs treibe …
Ich spare manchen vordatierten Scheck.
Und dann naht Lottchen mit dem Lotterleibe,
10 
und dann ist alles wieder weg.
11 
Infolge ihres Liebesunterrichts …
12 
Ich brings zu nichts.
 
13 
Die andern häufen so Vermögen auf Vermögen.
14 
Die andern wandeln durch das Goldportal.
15 
Ich aber kann mir nichts nach hinten legen;
16 
ich hab noch nie – und möchte auch einmal.
17 
Der Reichtum ist der Lohn des Bösewichts.
18 
Ich brings zu nichts.
 
19 
So lern doch endlich von den andern Knaben
20 
die einzig brauchbare Philosophie:
21 
Es g’nügt nicht nur, Verhältnisse zu haben –
22 
sie leben alle über sie.
23 
Trink aus der Nachbarin Champagnerglas!
24 
Bleib schuldig Miete, Liebe, Arzt und Gas!
25 
Bezahl den Apfel – friß die Ananas!
26 
Wer also handelt, bringts zu was.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.8 KB)

Details zum Gedicht „Gestoßener Seufzer“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
26
Anzahl Wörter
163
Entstehungsjahr
1931
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Gestoßener Seufzer“ wurde von Kurt Tucholsky verfasst, einem wichtigen Vertreter der literarischen Moderne im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Es wurde von ihm in der Krisenzeit der Weimarer Republik verfasst, zwischen den beiden Weltkriegen.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht bitter und resigniert. Es präsentiert ein lyrisches Ich, dass mit dem eigenen Leben unzufrieden ist und sich unvermögend sieht, seine Lebensumstände zu verändern.

In einfachen Worten beschreibt das lyrische Ich seine Unzufriedenheit mit seinem eigenen Zustand und seiner gescheiterten Versuche, reich zu werden. Es beklagt die Vergänglichkeit des Geldes, das ihm immer wieder durch die Finger gleitet, und seinen Mangel an Erfolg im Vergleich zu anderen. Es zeigt auch seine Unzufriedenheit mit der Scheinheiligkeit und die Ungerechtigkeiten der Gesellschaft.

Die Form des Gedichtes ist ein vierstrophiges Gedicht mit jeweils sechs bis acht Versen pro Strophe. Die Strophen sind in Reime abgefasst. Die Sprache ist klar und direkt, gelegentlich ironisch und sarkastisch. Insbesondere der wiederholte Refrain („ich bring's zu nichts“) zeigt eine klare Unzufriedenheit und Resignation.

Tucholskys Gedicht spiegelt seine Frustration über soziale Ungleichheit wider: Es scheint, als ob diejenigen, die reich werden, dies auf unehrliche Weise tun und ihre sozialen Beziehungen ausnutzen. Der Eindruck entsteht, dass Ehrlichkeit und harte Arbeit nicht zum Erfolg führen. Dies kann als Kritik an den gesellschaftlichen Bedingungen seiner Zeit interpretiert werden.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Gestoßener Seufzer“ des Autors Kurt Tucholsky. Im Jahr 1890 wurde Tucholsky in Berlin geboren. Im Jahr 1931 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zugeordnet werden. Der Schriftsteller Tucholsky ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Inhaltlich wurden in der Literatur der Weimarer Republik häufig die Ereignisse des Ersten Weltkriegs verarbeitet. Die geschichtlichen Einflüsse des Ersten Weltkrieges und der späteren Weimarer Republik sind die prägenden Faktoren dieser Epoche. Das wohl bedeutendste Merkmal der Literatur in der Weimarer Republik ist die Neue Sachlichkeit, die so heißt, da sie schlicht, klar, sachlich und hoch politisch ist. Die Literatur dieser Zeit war nüchtern und realistisch. Ebenso stellt sie die moderne Gesellschaft kühl distanziert, beobachtend, dokumentarisch und exakt dar. Die Autoren der Literaturepoche wollten so viele Menschen wie möglich mit ihren Texten erreichen, deshalb wurde eine einfache und nüchterne Alltagssprache verwendet. Die Freiheit von Wort und Schrift war zwar verfassungsmäßig garantiert, doch bereits 1922 wurde nach der Ermordung eines Politikers das Republikschutzgesetz erlassen, das diese Freiheit wieder einschränkte. Viele Schriftsteller litten unter dieser Zensur. In der Praxis wurde dieses Gesetz allerdings nur gegen linke Autoren angewandt. Aber gerade die rechts gerichteten Schriftsteller waren es häufig, die in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Die Grenzen der Zensur wurden im Jahr 1926 durch das sogenannte Schund- und Schmutzgesetz nochmals verstärkt. Die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen wurden durch die Pressenotverordnung im Jahr 1931 ermöglicht.

Zur Zeit des Nationalsozialismus mussten viele Autoren ins Ausland fliehen. Dort entstand die sogenannte Exilliteratur. Ausgangspunkt der Exilbewegung ist der Tag der Bücherverbrennung am 30. Mai 1933 im nationalsozialistischen Deutschland. Alle nicht-arischen Werke wurden verboten und symbolträchtig verbrannt. Daraufhin flohen zahlreiche Schriftsteller aus Deutschland ins Ausland. Die Exilliteratur der Literaturgeschichte Deutschlands bildet eine eigene Literaturepoche und folgt auf die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik. Die Exilliteratur lässt sich insbesondere an den typischen Themenschwerpunkten wie Sehnsucht nach der Heimat, Widerstand gegen Nazi-Deutschland oder Aufklärung über den Nationalsozialismus ausmachen. Anders als andere Epochen der Literatur, die zum Beispiel bei der formalen Gestaltung (also in Sachen Metrum, Reimschema oder dem Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel) ganz charakteristische Merkmale aufweisen, ist die Exilliteratur nicht durch bestimmte formale Merkmale gekennzeichnet. Die Exilliteratur weist häufig einen Pluralismus der Stile (Expressionismus, Realismus), eine kritische Betrachtung der Wirklichkeit und eine Distanz zwischen Werk und Leser oder Publikum auf. Sie hat häufig die Absicht zur Aufklärung und möchte gesellschaftliche Entwicklungen aufzeigen (wandelnder Mensch, Abhängigkeit von der Gesellschaft).

Das vorliegende Gedicht umfasst 163 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 26 Versen. Der Dichter Kurt Tucholsky ist auch der Autor für Gedichte wie „All people on board!“, „Also wat nu – ja oder ja?“ und „An Lukianos“. Zum Autor des Gedichtes „Gestoßener Seufzer“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 136 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Kurt Tucholsky

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Kurt Tucholsky und seinem Gedicht „Gestoßener Seufzer“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Kurt Tucholsky (Infos zum Autor)

Zum Autor Kurt Tucholsky sind auf abi-pur.de 136 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.