Gespräch auf der Paderborner Haide von Heinrich Heine

Hörst du nicht die fernen Töne,
Wie von Brummbaß und von Geigen?
Dorten tanzt wohl manche Schöne
Den geflügelt leichten Reigen.
 
„Ei, mein Freund, das nenn’ ich irren,
Von den Geigen hör’ ich keine,
Nur die Ferklein hör’ ich quirren,
Grunzen nur hör’ ich die Schweine.“
 
Hörst du nicht das Waldhorn blasen?
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Jäger sich des Waidwerks freuen;
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Fromme Lämmer seh ich grasen,
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Schäfer spielen auf Schallmeien.
 
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„Ei, mein Freund, was du vernommen
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Ist kein Waldhorn, noch Schallmeie;
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Nur den Sauhirt seh’ ich kommen,
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Heimwärts treibt er seine Säue.“
 
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Hörst du nicht das ferne Singen,
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Wie von süßen Wettgesängen?
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Englein schlagen mit den Schwingen
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Lauten Beifall solchen Klängen.
 
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„Ei, was dort so hübsch geklungen,
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Ist kein Wettgesang, mein Lieber!
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Singend treiben Gänsejungen
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Ihre Gänselein vorüber.“
 
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Hörst du nicht die Glocken läuten,
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Wunderlieblich, wunderhelle?
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Fromme Kirchengänger schreiten
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Andachtsvoll zur Dorfkapelle.
 
29 
„Ei, mein Freund, das sind die Schellen
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Von den Ochsen, von den Kühen,
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Die nach ihren dunkeln Ställen
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Mit gesenktem Kopfe ziehen.“
 
33 
Siehst du nicht den Schleier wehen?
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Siehst du nicht das leise Nicken?
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Dort seh’ ich die Liebste stehen,
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Feuchte Wehmuth in den Blicken.
 
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„Ei! mein Freund, dort seh’ ich nicken
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Nur das Waldweib, nur die Lise;
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Blaß und hager an den Krücken
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Hinkt sie weiter nach der Wiese.“
 
41 
Nun, mein Freund, so magst du lachen
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Ueber des Phantasten Frage;
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Kannst doch nicht zur Täuschung machen,
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Was ich fest im Busen trage.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.1 KB)

Details zum Gedicht „Gespräch auf der Paderborner Haide“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
44
Anzahl Wörter
231
Entstehungsjahr
1817–1821
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Gespräch auf der Paderborner Haide“ stammt von dem deutschen Dichter Heinrich Heine, der von 1797 bis 1856 lebte. Zeitlich einzuordnen ist das Gedicht in Heines Hochschaffensphase während der Romantik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Das Gedicht hinterlässt beim ersten Lesen einen humorvollen und skurrilen Eindruck. In dem Gedicht führen zwei Personen ein Gespräch, in dem sie ihre Wahrnehmungen der sie umgebenden Natur diskutieren. Dabei neigt das lyrische Ich immer wieder zu einer idealisierenden und poetischen Wahrnehmung der Umgebung, welche von seinem Gegenüber stets auf bodenständige und pragmatische Weise korrigiert und zurückgewiesen wird.

Über die elf Strophen hinweg erzählt das lyrische Ich von unterschiedlichen Klängen und Szenen, die es in der Natur wahrnimmt. Es hört Musik, sieht tanzende Schönheiten, Waldhörner und grasende Lämmer. Auch Stimmen von Engeln, das Läuten von Kirchenglocken und den Anblick einer geliebten Person glaubt es wahrzunehmen. Sein Gesprächspartner erwidert jedoch jedes Mal, dass das lyrische Ich sich täuscht und ordnet die Wahrnehmungen jeweils alltäglichen ländlichen Szenarien zu wie grunzenden Schweinen, einem Schweinehirten, singenden Gänsen und einer hinkenden Frau.

Das lyrische Ich drückt damit aus, dass es die Wirklichkeit gerne durch die rosarote Brille der Romantik sieht und sich von schönen Illusionen verzaubern lässt. Dagegen steht das Gegenüber, das den Blick für die nüchterne Realität bewahrt und damit eine gewisse Bodenständigkeit repräsentiert. In der letzten Strophe wird deutlich, dass das lyrische Ich sich jedoch nicht beirren lässt, und weiterhin fest an seine romantisierte Wahrnehmung glaubt.

Formal ist das Gedicht klar strukturiert, jede der elf Strophen besteht aus vier Versen. Die Sprachwahl ist schlicht und verständlich, was der humorvollen und leicht ironischen Stimmung des Gedichts entgegenkommt. Auffällig ist die wiederkehrende Struktur, bei der das lyrische Ich eine romantisierte Wahrnehmung äußert, die dann vom Gegenüber korrigiert wird. Diese Wiederholung trägt zur Komik des Gedichts bei.

Zusammenfassend handelt es sich bei „Gespräch auf der Paderborner Haide“ um ein Gedicht, das auf humorvolle Weise den Konflikt zwischen romantischer Sehnsucht und nüchterner Realität darstellt und dabei eine leichte Ironie gegenüber der romantischen Idealisierung der Wirklichkeit erkennen lässt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Gespräch auf der Paderborner Haide“ des Autors Heinrich Heine. Heine wurde im Jahr 1797 in Düsseldorf geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1821 entstanden. Hamburg ist der Erscheinungsort des Textes. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz zu. Bei dem Schriftsteller Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 231 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 11 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Heinrich Heine sind „Ach, wenn ich nur der Schemel wär’“, „Ahnung“ und „Allnächtlich im Traume seh’ ich dich“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Gespräch auf der Paderborner Haide“ weitere 535 Gedichte vor.

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