Gespenst an der Kanderer Straße von Johann Peter Hebel
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’s git Gspenster, sell isch us und isch verbei! |
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Gang nummen in der Nacht vo Chander hei, |
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und bring e Ruusch! De trifsch e Plätzli a, |
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und dört verirrsch. I setz e Büeßli dra. |
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Vor Ziten isch nit wit vo sellem Platz |
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e Hüsli gsi; e Frau, e Chind, e Chatz |
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hen g’othmet drinn. Der Ma het vorem Zelt |
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si Lebe g’lo im Heltelinger Feld. |
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Und wo sie g’hört: „Di Ma lit unterm Sand!“ |
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se het me gmeint, sie stoß der Chopf an d’Wand. |
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Doch holt sie d’Pappe no vom Füür und blost, |
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und gits im Chind, und seit: „Du bisch mi Trost!“ |
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Und ’s wärs au gsi. Doch schlicht e mol mi Chind |
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zur Thüren us, und d’Muetter sitzt und spinnt, |
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und meint, ’s seig in der Chuchi, rüeft und goht, |
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und sieht no iust, wie’s uffem Fueßweg stoht. |
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Und drüber lauft e Ma, voll Wi und Brenz, |
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vo Chander her ans Chind und überrennt’s, |
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und bis sie ’m helfe will, sen ischs scho hi, |
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und rüehrt sie nit, – e flösche Bueb ischs gsi, |
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Iez rüstet sie ne Grab im tiefe Wald, |
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und deckt ihr Chind, und seit: „I folg der bald!“ |
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Sie setzt si nieder, hüetet’s Grab und wacht, |
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und endli stirbt sie in der nünte Nacht. |
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Und so verwest der Lib in Luft und Wind. |
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Doch sitzt der Geist no dört, und hüetet’s Chind, |
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und hütigs Tags, de Trunkene zum Tort, |
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goht Chand’rer Stroß verbei an selbem Ort. |
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Und schwankt vo Chander her e trunkne Ma, |
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se siehts der Geist si’m Gang vo witem a, |
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und füehrt en abwärts, seig er, wer er sey, |
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er loßt en um kei Pris am Grab verbei. |
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Er chunnt vom Weg, er trümmlet hüst und hott, |
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er bsinnt si: „Bini echterst, woni sott?“ |
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Und luegt und lost, und mauet öbbe d’Chatz, |
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se meint er, ’s chreih e Guhl an sellem Platz. |
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Er goht druf dar, und über Steg und Bruck |
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se maut sie eben all’wil witer z’ruck; |
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und wenn er meint, er seig iez bald dehei, |
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se stoht er wieder vor der Weserei. |
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Doch, wandle selli Stroß der nüchteri Lüt, |
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se seit der Geist: „Ihr thüent mi’m Büebli nüt!“ |
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Er rührt si nit, er loßt sie ordeli |
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passieren ihres Wegs. Verstöhntder mi? |
Details zum Gedicht „Gespenst an der Kanderer Straße“
Johann Peter Hebel
12
44
387
nach 1776
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Gespenst an der Kanderer Straße“ wurde von Johann Peter Hebel verfasst, einem deutschen Dichter und Theologen, der von 1760 bis 1826 lebte. Damit wurde das Gedicht im späten 18. oder frühen 19. Jahrhundert geschrieben, eine Zeitperiode, die als die Epoche der Romantik bekannt ist.
Beim ersten Lesen des Gedichts fällt auf, dass es in alemannischer Mundart verfasst wurde, was es für Nicht-Dialekt-Sprecher zu einer etwas herausfordernden Lektüre machen könnte. Es ist in Form von 12 Strophen gestaltet, jede mit vier Versen, mit Ausnahme der achten und neunten Strophe, die nur zwei Verse haben.
Das lyrische Ich des Gedichts erzählt die tragische Geschichte von einer Frau, ihrem Kind und ihrer Katze, die in einem kleinen Haus nahe der Kanderer Straße lebten. Der Mann der Familie stirbt, die Frau bleibt mit ihrem Kind zurück, das später von einem betrunkenen Mann überfahren und getötet wird. Die Frau stirbt schließlich vor Trauer. Beide, Mutter und Kind, sollen nun als Geister an dieser Stelle geblieben sein und sorgen dafür, dass Betrunkene sich an diesem Ort verirren.
Hebel benutzt einfache, aber eindringliche Sprache, um die Geschichte zu erzählen. Er malt ein Bild der tiefen Trauer und Verzweiflung, die die Mutter nach dem Tod ihres Mannes und ihres Kindes durchmacht. Der Dialekt und die bildhafte Sprache tragen dazu bei, eine volksmärchenhafte Atmosphäre zu schaffen und geben dem Gedicht eine starke lokale Note.
Zusammengefasst kann man sagen, dass das Gedicht vom Verlust, dessen Bewältigung, aber auch Gerechtigkeit und Vergeltung für Unrecht handelt. Es spiegelt damit auch kulturelle Vorstellungen und Werte der damaligen Gesellschaft wider, Hexenglaube und Todesstrafe als Mittel der Vergeltung eingeschlossen. Es stellt die ewige Frage von Recht und Ordnung, Schuld und Sühne, in Form einer tragischen Familiengeschichte dar.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Gespenst an der Kanderer Straße“ ist Johann Peter Hebel. Hebel wurde im Jahr 1760 in Basel geboren. Im Zeitraum zwischen 1776 und 1826 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Karlsruhe. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zu. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 12 Strophen und umfasst dabei 387 Worte. Der Dichter Johann Peter Hebel ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Karfunkel“, „Der Knabe im Erdbeerschlag“ und „Der Käfer“. Zum Autor des Gedichtes „Gespenst an der Kanderer Straße“ haben wir auf abi-pur.de weitere 60 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Johann Peter Hebel sind auf abi-pur.de 60 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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