Gesellschaft von Hugo von Hofmannsthal

SÄNGERIN
Sind wir jung und sind nicht alt,
Lieder haben viel Gewalt,
Machen leicht und machen schwer,
Ziehen deine Seele her.
 
FREMDER
Leben gibt es nah und fern,
Was ich zeige, seht ihr gern –
Nicht die Schwere vieler Erden,
10 
Nur die spielenden Gebärden.
 
11 
JUNGER HERR
12 
Vieles, was mir Freude schafft,
13 
Fühl ich hier herangeflogen,
14 
Aber gar so geisterhaft:
15 
Glücklich – bin ich wie betrogen!
 
16 
DICHTER
17 
Einen hellen Widerschein
18 
Sehe ich im Kreise wandern:
19 
Spürt auch jeder sich allein,
20 
Spürt sich doch in allen andern.
 
21 
MALER
22 
Und wie zwischen leichten Lichtern
23 
Flattert zwischen den Gesichtern
24 
Schwaches Lachen hin und her.
 
25 
FREMDER
26 
Lieder machen leicht und schwer!
 
27 
DICHTER
28 
Lieder haben große Kraft –
29 
Leben gibt es nah und fern.
 
30 
JUNGER HERR
31 
Was sie reden, hör ich gern,
32 
Sei es immer geisterhaft.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „Gesellschaft“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
127
Entstehungsjahr
1896
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Gesellschaft“ wurde vom österreichischen Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal verfasst, der im Zeitraum von 1874 bis 1929 lebte und demnach im literaturgeschichtlichen Kontext der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert zugeordnet werden kann. Die literarische Epoche dieser Zeit wird oft auch als ein Teil der Moderne bezeichnet, gekennzeichnet durch eine zunehmende Infragestellung traditioneller Werte und Normen.

Das Gedicht erweckt auf den ersten Blick den Eindruck einer anregenden und faszinierenden Unterhaltung unter Gesellschaftsmitgliedern, die verschiedene persönliche und ästhetische Perspektiven einbringen: Eine Sängerin, ein Fremder, ein junger Herr, ein Dichter und ein Maler kommen zu Wort.

Inhaltlich widmet sich das Gedicht vorrangig der Wirkung von Liedern sowie der Darstellung und Wahrnehmung von Leben und Lebensgefühl. Die Sängerin betont zum Beispiel die gewaltige Macht von Liedern, die Emotionen leicht oder schwer machen können, während der Fremde betont, dass wir gerne das sehen, was uns präsentiert wird, vor allem wenn es leicht erscheint. Der junge Herr reflektiert über die geisterhafte Natur seiner Freude und des Glücks, während der Dichter die Trennung und Verbindung zwischen Individuen anerkennt. Der Maler hingegen beobachtet die Wechselwirkungen zwischen den Gesichtern in der Gesellschaft, bevor der Fremde und der Dichter erneut auf die Wirkung von Liedern und das Dasein des Lebens hinweisen. Am Ende akzeptiert der junge Herr die geisterhafte Qualität der Sprache gerne.

Sprachlich zeichnet sich das Gedicht durch seine präzisen, bildhaften und zugleich philosophischen Formulierungen aus. Die Aussagen der Figuren sind in der Regel kurz und bündig, verwenden jedoch dennoch suggestive und mehrdeutige Sprachbilder, die zum Nachdenken anregen.

Das Gedicht besteht aus acht Strophen, die zwischen zwei und fünf Verse umfassen und keinen festen Reimschema folgen - eine typische Form für freie Verse, die häufig in der Literatur der Moderne verwendet wird. Dabei kommt jeder der fünf Charaktere mehrmals zu Wort, wodurch das Gedicht einen dialogischen Charakter erhält und verschiedene Perspektiven auf die angesprochenen Themen bietet. Es hebt dabei die subjektive Wahrnehmung und Erfahrung des Lebens hervor, wobei auch das Erzeugen und Teilen von Kunst - ob durch Lieder, Poesie oder Malerei - als essenzieller und kraftvoller Aspekt des menschlichen Daseins hervorgehoben wird.

Weitere Informationen

Hugo von Hofmannsthal ist der Autor des Gedichtes „Gesellschaft“. Im Jahr 1874 wurde Hofmannsthal in Wien geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1896. Erschienen ist der Text in Leipzig. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Hofmannsthal handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 127 Worte. Der Dichter Hugo von Hofmannsthal ist auch der Autor für Gedichte wie „Ein Knabe“, „Ein Traum von großer Magie“ und „Erlebnis“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Gesellschaft“ weitere 40 Gedichte vor.

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