Gesang der Geister über den Wassern von Johann Wolfgang von Goethe

Des Menschen Seele
Gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel steigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde muß es,
Ewig wechselnd.
 
Strömt von der hohen,
Steilen Felswand
10 
Der reine Strahl,
11 
Dann stäubt er lieblich
12 
In Wolkenwellen
13 
Zum glatten Fels,
14 
Und leicht empfangen
15 
Wallt er verschleyernd,
16 
Leisrauschend,
17 
Zur Tiefe nieder.
 
18 
Ragen Klippen
19 
Dem Sturze entgegen,
20 
Schäumt er unmuthig
21 
Stufenweise
22 
Zum Abgrund.
 
23 
Im flachen Bette
24 
Schleicht er das Wiesenthal hin,
25 
Und in dem glatten See
26 
Weiden ihr Antlitz
27 
Alle Gestirne.
 
28 
Wind ist der Welle
29 
Lieblicher Buhler;
30 
Wind mischt vom Grund aus
31 
Schäumende Wogen.
 
32 
Seele des Menschen,
33 
Wie gleichst du dem Wasser!
34 
Schicksal des Menschen,
35 
Wie gleichst du dem Wind!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Gesang der Geister über den Wassern“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
35
Anzahl Wörter
109
Entstehungsjahr
1789
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht trägt den Titel „Gesang der Geister über den Wassern“ und wurde von Johann Wolfgang von Goethe, einem der bedeutendsten deutschen Dichter, geschrieben. Goethe lebte von 1749 bis 1832, was das Gedicht in die Epoche der Klassik und Romantik einordnet.

Beim ersten Lesen erweckt das Gedicht Eindrücke von Naturgewalten, Bewegung und Veränderung. Es vermittelt ein Bild von der Dynamik und dem ewigen Kreislauf des Lebens. Diese Charakteristika sind typisch für Goethes Werke und zeigen seine Faszination für die Natur und ihre Prozesse.

Inhaltlich beschreibt Goethe in diesem Gedicht Veränderungen und Bewegungen des Wassers, die metaphorisch die menschliche Seele und das Schicksal darstellen. Das Wasser, das vom Himmel kommt und wieder zum Himmel steigt, symbolisiert den ständigen Wechsel und Wandel in das menschliche Leben. Es gliedert sich in unterschiedliche Abschnitte, in denen jeweils unterschiedliche Zustände und Eigenschaften des Wassers und dadurch des menschlichen Daseins thematisiert werden: die Reinheit und Freiheit, die Wut und Ungeduld, die Stille und Beschaulichkeit, die Dynamik und Energie.

Formal betrachtet hat das Gedicht eine variable Strophen- und Verslänge. Es nutzt einfache, klare Sprache, um eine Vielzahl von Bildern und Stimmungen zu erzeugen. Besonders auffällig ist die Wiederholung der Aussage, dass die Seele des Menschen dem Wasser gleicht und das Schicksal dem Wind - als eine Betonung der Vergänglichkeit und Veränderlichkeit des menschlichen Lebens.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Goethe in „Gesang der Geister über den Wassern“ die Natur als Spiegel des menschlichen Lebens nutzt. Es zeigt, dass Goethe die Natur nicht nur als äußerliche Realität betrachtet, sondern auch als metaphorisches Mittel, um tiefere philosophische und existenzielle Fragen zu thematisieren.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Gesang der Geister über den Wassern“ des Autors Johann Wolfgang von Goethe. Goethe wurde im Jahr 1749 in Frankfurt am Main geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1789. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Goethe ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Literaturepoche, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Protest- und Jugendbewegung gegen die aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung. Bei den Vertretern der Epoche des Sturm und Drang handelte es sich vorwiegend um junge Autoren. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde besonders darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Nachahmung und Idealisierung von Schriftstellern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Goethe, Schiller und natürlich die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Einer der populärsten Schriftsteller der deutschen Klassik ist Johann Wolfgang von Goethe (* 28. August 1749 in Frankfurt am Main; † 22. März 1832 in Weimar). Seine Italienreise im Jahr 1786 wird als Beginn der Weimarer Klassik angesehen. Johann Wolfgang von Goethe prägte die Klassik ganz wesentlich. Sein Todesjahr (1832) kennzeichnet gleichzeitig das Ende dieser Epoche. Die Weimarer Klassik wird häufig nur als Klassik bezeichnet. Beide Bezeichnungen sind in der Literatur gebräuchlich. Die Klassik geht von der Erziehbarkeit des Menschen zum Guten aus. Ihr Ziel ist die Humanität, die wahre Menschlichkeit (das Schöne, Gute, Wahre). Die Dichter der Klassik gingen davon aus, dass Gott den Menschen Gefühle und Vernunft gibt und die Menschen damit dem Leben einen Sinn geben. Der Mensch ist also von höheren Mächten bestimmt. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Weimarer Klassik charakteristisch. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Weimarer Klassik auf eine reglementierte Sprache. Die Hauptvertreter der Weimarer Klassik sind Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.

Das Gedicht besteht aus 35 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 109 Worte. Der Dichter Johann Wolfgang von Goethe ist auch der Autor für Gedichte wie „An den Schlaf“, „An den Selbstherscher“ und „An die Entfernte“. Zum Autor des Gedichtes „Gesang der Geister über den Wassern“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1618 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Das Video mit dem Titel „Johann Wolfgang Goethe Gesang der Geister über den Wassern I“ wurde auf YouTube veröffentlicht. Unter Umständen sind 2 Klicks auf den Play-Button erforderlich um das Video zu starten.

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Johann Wolfgang von Goethe

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Johann Wolfgang von Goethe und seinem Gedicht „Gesang der Geister über den Wassern“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Johann Wolfgang von Goethe (Infos zum Autor)

Zum Autor Johann Wolfgang von Goethe sind auf abi-pur.de 1618 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.