Avff meine Seell von Andreas Gryphius

1.
Avff meine Seell! auff/ reis mitt macht entzwey
Das feste netz/ mitt dem dich grimme schmertzen
Vndt harte noth/ vnd angst die pest der hertzen
Bißher verstrickt/ wir wollen sorgenfrey
Vndt kummer-loß des höchsten gütt erheben
Der siechen heilt/ vndt leichen heisset leben.
 
2.
Wo find' ich wortt? ach Gott! wo fang' ich an/
10 
Zu zehlen was die allzuschwachen sinnen/
11 
Ja keine zeitt gantz werden zehlen können?
12 
Wie sprech' ich aus was du an mir gethan?
13 
Kein Mensch versteht die wunder deiner wercke:
14 
Den weisen raht/ der grossen armen stärcke.
 
15 
3.
16 
Wer wird den Herr die ewigfeste trew
17 
Recht streichen aus? der klugen geister scharen
18 
Die vmb dich her voll haisser andacht fahren
19 
Sind hier zu schlecht. die gunst wirdt stündlich new/
20 
Durch die du dir den krais der welt verbunden/
21 
Der auff dein wortt sich in sein wesen funden.
 
22 
4.
23 
Die liebe wächst/ durch die du mich gemacht
24 
Da ich nicht war/ durch die du mich erkohren
25 
Eh' als ich wardt/ die als ich war verlohren
26 
Durch Adams schuldt/ mich dir hatt wiederbracht;
27 
Die mich so wehrt/ da ich nichts wehrt geschätzet/
28 
Daß sie dein kindt für mich in todt versetzet.
 
29 
5.
30 
Aus wie viell weh/ aus wie viell herbem leidt/
31 
Hastu bißher mich wunderlich geführet?
32 
Wie offt hatt mich der blasse todt berühret?
33 
Wie offt fiell ich in grundt der trawrikeitt?
34 
Wie offt hatt mich der rawe schmertz gefangen?
35 
Wie offt bin ich im elendt schier vergangen!
 
36 
6.
37 
Ich bin durch fewer/ durch der feinde schwertt/
38 
Durch schweren raub/ durch schnelle pestilentzen/
39 
Durch/ was noch itzt so brennt in vnser grentzen/
40 
Ich bin durch sturm/ der schiff' vndt gutt verzehrt
41 
Durch hohen neidt/ durch grimme schlangen zungen
42 
Durch list gerückt. Doch Herr/ mir ists gelungen/
 
43 
7.
44 
Weill du mir stets geboten deine handt/
45 
Ich habe die mitt schrecken sehn vergehn/
46 
Die mir vndt dir Herr wolten wiederstehen/
47 
Du hast mein ach/ vndt ihren trotz gewandt:
48 
Drumb will ich/ weill ich werd' ein ader rühren
49 
Dein wehrtes lob in meinem munde führen.
 
50 
8.
51 
Du hast mir mehr als jemals ich begehrt
52 
O Gutter Got! O milder Herr gegeben.
53 
Offt eh ich noch die hände wolt erheben;
54 
War diesem Geist sein wündtschen schon gewehrt.
55 
Drumb will ich/ weill ich werd ein ader rühren:
56 
Dein wehrtes lob in meinem munde führen.
 
57 
9.
58 
Herr fahre fort zeuch doch die milde handt
59 
Nicht von mir ab! las alle menschen schawen
60 
An mir/ wie gutt es sey/ auff dich vertrawen.
61 
Wen schon sich raht/ vndt hülff vndt trost verwandt/
62 
So will ich weill ich werd ein ader rühren/
63 
Dein wehrtes lob in mundt vndt hertzen führen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29.4 KB)

Details zum Gedicht „Avff meine Seell“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
63
Anzahl Wörter
424
Entstehungsjahr
1616 - 1664
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Avff meine Seell“ des Autors Andreas Gryphius. 1616 wurde Gryphius in Glogau geboren. In der Zeit von 1632 bis 1664 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Barock zuordnen. Gryphius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Der die Jahre 1600 bis 1720 umfassende Zeitraum gilt als Epoche der Barockliteratur, die sich in Deutschland während und nach dem Dreißigjährigen Krieg entfaltete. Der Dreißigjährige Krieg begann 1618 und endete im Jahr 1648. Als Epochenbezeichnung wird das aus dem Portugiesischen stammende Wort „Barock“ erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts genutzt. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden große Teile des Deutschen Reiches zerstört. Die Bevölkerung, damals durch ein starkes soziales Gefälle zwischen Hof und Provinz geprägt, litt folglich unter den immensen Auswirkungen des Krieges. Viele Menschen starben an den Folgen des Krieges und der Pest. Die Epoche des Barocks wurde davon stark geprägt. Speziell Pest und Krieg in der Zeit des Barocks zeigen auch ein besonderes Merkmal auf: der Gegensatz. Zum einen Armut, Tod und Elend, zum anderen Prunk, Glanz und Macht. So lebte die normale Bevölkerung in bitterer Armut, während Adelige einen verschwenderischen Lebensstil bevorzugten. Die Epoche des Barocks stellte einen Wandel von lateinischer zu deutscher Literatur dar. Die bedeutendste Literaturform des Barocks war dabei die Lyrik. Das Sonett war die häufigste Gedichtform, die Verwendung fand. Herausragende Vertreter des Barocks waren unter vielen anderen: Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Martin Opitz, Andreas Gryphius, Christian Weise und Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.

Das Gedicht besteht aus 63 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 424 Worte. Die Gedichte „An Gott den Heiligen Geist“, „An H. Christoph von Dihr“ und „An Jolinden“ sind weitere Werke des Autors Andreas Gryphius. Zum Autor des Gedichtes „Avff meine Seell“ haben wir auf abi-pur.de weitere 461 Gedichte veröffentlicht.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Andreas Gryphius

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Andreas Gryphius und seinem Gedicht „Avff meine Seell“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Andreas Gryphius (Infos zum Autor)

Zum Autor Andreas Gryphius sind auf abi-pur.de 461 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.