Germanias Standbild von Louise Otto-Peters
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Drei Jahre sind’s – da stand der Dom vollendet, |
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Der Dom zu Köln, nun herrlich ausgebaut; |
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Ein Siegesmal, dem deutschen Volk gespendet, |
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Das endlich einig seiner Kraft vertraut. |
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Und frohgemut begann vor vierzig Jahren |
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Der Väter Erbe heilger Kunst zu wahren. |
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Und wie ich einst in meiner Jugend Tagen |
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Schon sehnsuchtsvoll zum grünen Rheine zog |
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Und um mich Viele wollten schon verzagen, |
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Weil scheinbar die Prophetenstimme log |
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Und falsch gesprochen von des Doms Erneuen – |
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Nun gilt es der Erfüllung sich zu freuen! |
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Jetzt ward ein andres Standbild aufgerichtet: |
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„Germania“ thront auf dem Niederwald. |
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All’ was ich einst von ihr geträumt, gedichtet, |
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Ward Wirklichkeit in herrlicher Gestalt, |
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Wallfahrend wie zu einem Heiligtume |
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Naht alles Volk und weiht sich ihrem Ruhme. |
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Auch ich sah sie in goldnem Sonnenglanze |
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Und wieder dann in stiller Mondennacht, |
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Das edle Frauenhaupt im Eichenkranze, |
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Erhoben hoch zu ihres Volkes Wacht – |
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Germania – einst nur ein Traum der Thoren – |
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Jetzt zu der Schirmerin des Reichs erkoren. |
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Und wehn im Sonnenglanz die deutschen Fahnen |
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Zu ihrer Ehr und donnern Schuß um Schuß – |
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Im stillen Mondschein ließ ein selig Ahnen |
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Mich leis vernehmen einen andern Gruß: |
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Ward eine deutsche Frau so hoch erhoben, |
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So ziemt’s uns Allen unsre Kraft erproben. |
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So ziemt’s uns Allen nach dem Ziel zu ringen, |
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Das hier erscheint in herrlicher Gestalt. |
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Was deutsche Frauen streben, muß gelingen, |
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Germania wird selbst uns Hort und Halt. |
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Jetzt ist es leichter Sieg zu prophezeihen, |
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Wenn wir zu ihrer Ehr uns selbst befreien. |
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Strömt jetzt am Rheine alles Volk zusammen |
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Und feiert man bei ihr ein Siegesfest, |
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Und lodern hoch der Freudenfeuer Flammen |
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Im Glauben, daß sie nie ihr Volk verläßt, |
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So dürfen wir auch ihrer Huld vertrauen, |
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Die höchste Frau verläßt auch nicht die Frauen. |
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Sie fordern ihren Teil als Priesterinnen |
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Im Dienst des Reiches, das man ihr geweiht; |
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In ihrem Dienste wollen sie beginnen |
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Das neue Werk der freien bessern Zeit, |
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Vertrauend knieen sie zu ihren Füßen, |
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Als höchste Schützern sie zu begrüßen. |
Details zum Gedicht „Germanias Standbild“
Louise Otto-Peters
8
48
326
1870-1880
Realismus,
Naturalismus
Gedicht-Analyse
Das vorgestellte Gedicht ist „Germanias Standbild“ von Louise Otto-Peters, einer deutschen Frauenrechtlerin und Schriftstellerin, die von 1819 bis 1895 lebte. Sie war eine der wichtigsten Persönlichkeiten der ersten Frauenbewegung in Deutschland und in ihren Werken spiegelte sich oft ihr politisches und soziales Engagement wider. Das Gedicht „Germanias Standbild“ kann daher in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeordnet werden, eine Zeit in der die deutsche Einheit und nationale Symbole eine große Rolle spielten.
Auf den ersten Blick handelt das Gedicht von der Errichtung des Standbilds der Germania, einer weiblichen Personifizierung Deutschlands, und dem damit verbundenen nationalen Stolz und Zusammenhalt. Das lyrische Ich schildert die Errichtung und den Anblick des Standbilds mit großer Begeisterung und sieht in Germania eine inspirierende Figur, die das Volk zu gemeinsamen Anstrengungen und Zielen motiviert.
Die sprachliche Form des Gedichts ist geprägt durch einen geregelten Versbau mit einer gleichbleibenden Versanzahl je Strophe. Otto-Peters verwendet bildhafte Sprache, um emotional aufgeladene Bilder zu erzeugen, und greift auf Mittel wie Metaphern und Symbolik zurück. Sie stellt Germania als schützende und verehrungswürdige Figur dar und verknüpft diesen Aspekt mit dem Emanzipationsbestreben von Frauen.
Damit wird in der Interpretation des Inhalts deutlich, dass das lyrische Ich mit seiner Begeisterung für das Standbild und die Protagonistin Germania einen weiteren Gedankengang verfolgt: Es fordert die Anerkennung und Emanzipation von Frauen in einer männerdominierten Gesellschaft. Dies manifestiert sich vor allem in den letzten beiden Strophen, in denen Frauen als selbstbewusste Priesterinnen dargestellt werden, die auch ihren Platz einfordern und für eine „bessere Zeit“ kämpfen wollen.
Zusammengefasst zeigt das Gedicht „Germanias Standbild“ auf der einen Seite den nationalen Stolz und die Identifikation mit Germania als symbolisierende Figur. Auf der anderen Seite findet sich in ihm jedoch auch eine starke feministische Botschaft, die zeigt, wie eng Louise Otto-Peters poetisches und politisches Wirken miteinander verknüpft waren.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Germanias Standbild“ der Autorin Louise Otto-Peters. Otto-Peters wurde im Jahr 1819 in Meißen geboren. Im Jahr 1880 ist das Gedicht entstanden. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her lässt sich das Gedicht den Epochen Realismus oder Naturalismus zuordnen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 326 Worte. Louise Otto-Peters ist auch die Autorin für das Gedicht „An Ludwig Börne“, „An Richard Wagner“ und „Auf dem Kynast“. Zur Autorin des Gedichtes „Germanias Standbild“ haben wir auf abi-pur.de weitere 106 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Louise Otto-Peters sind auf abi-pur.de 106 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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