Bergmannslied von Novalis

Der ist der Herr der Erde,
Wer ihre Tiefen mißt
Und jeglicher Beschwerde
In ihrem Schoß vergißt;
 
Wer ihrer Felsenglieder
Geheimen Bau versteht
Und unverdrossen nieder
Zu ihrer Werkstatt geht.
 
Er ist mit ihr verbündet
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Und inniglich vertraut
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Und wird von ihr entzündet,
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Als wär sie seine Braut.
 
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Er sieht ihr alle Tage
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Mit neuer Liebe zu
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Und scheut nicht Fleiß und Plage;
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Sie läßt ihm keine Ruh.
 
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Die mächtigen Geschichten
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Der längst verfloßnen Zeit
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Ist sie ihm zu berichten
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Mit Freundlichkeit bereit.
 
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Der Vorwelt heilge Lüfte
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Umwehn sein Angesicht,
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Und in die Nacht der Klüfte
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Strahlt ihm ein ewges Licht.
 
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Er trifft auf allen Wegen
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Ein wohlbekanntes Land,
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Und gern kommt sie entgegen
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Den Werken seiner Hand.
 
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Ihm folgen die Gewässer
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Hülfreich den Berg hinauf,
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Und alle Felsenschlösser
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Tun ihre Schätz ihm auf.
 
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Er führt des Goldes Ströme
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In seines Königs Haus
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Und schmückt die Diademe
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Mit edlen Steinen aus.
 
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Zwar reicht er treu dem König
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Den glückbegabten Arm,
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Doch fragt er nach ihm wenig
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Und bleibt mit Freuden arm.
 
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Sie mögen sich erwürgen
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Am Fuß um Gut und Geld,
43 
Er bleibt auf den Gebürgen
44 
Der frohe Herr der Welt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Bergmannslied“

Autor
Novalis
Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
44
Anzahl Wörter
191
Entstehungsjahr
1772 - 1801
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Bergmannslied“ des Autors Novalis. 1772 wurde Novalis geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1788 bis 1801 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Novalis ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert hinein dauerte die kulturgeschichtliche Epoche der Romantik an. Ihre Auswirkungen waren in der Literatur, der Kunst aber auch der Musik und Philosophie spürbar. Die Literaturepoche wird in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) unterschieden. Die Literaturepoche der Romantik entstand in Folge politischer Krisen und gesellschaftlicher Umbrüche. In ganz Europa fand ein Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft statt. Gleichermaßen bildete sich ein bürgerliches Selbstbewusstsein heraus. Industrialisierung und technologischer Fortschritt sind prägend für diese Zeit. Wesentliche Motive in der Lyrik der Romantik sind die Ferne und Sehnsucht sowie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Weitere Motive sind das Fernweh, die Todessehnsucht oder das Nachtmotiv. So symbolisierte die Nacht nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Mysteriöse, Geheimnisvolle und galt als Ursprung der Liebe. Merkmale der Romantik sind die Hinwendung zur Natur, die Weltflucht oder der Rückzug in Traumwelten. Insbesondere ist aber auch die Idealisierung des Mittelalters aufzuzeigen. Architektur und Kunst des Mittelalters wurden von den Romantikern wieder geschätzt. Die äußere Form von romantischer Dichtung ist dabei völlig offen. Kein festgesetztes Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits direkt nach Erscheinen wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das 191 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 11 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Novalis sind „Der Sänger geht auf rauhen Pfaden“, „Wenn die Rosen blühen“ und „Lied des Einsiedlers“. Zum Autor des Gedichtes „Bergmannslied“ haben wir auf abi-pur.de weitere 14 Gedichte veröffentlicht.

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