Geist im Sturm von Paul Haller

1	Du, der sich suchen, doch nicht finden läßt,
2	Dein Sturm und Regen hat mich eingehüllt.
3	Wie Trost umfängt mich diese rauhe Nacht
4	Und streichelt mich. Und meine Seele ruht,
5	Sie ruht von wilder Unruh aus.
6	Ich war allein, nun ist dein Sturm um mich;
7	Damit die Nacht nicht stumm und einsam sei:
8	Reich’ mir die Hand, umschling mich, küsse mich?
9	Ström’ ein in mich, daß du in meiner Brust,
10	Und ich in deiner Seele sei.
11	Nun sind die Menschen fern und doch so nah,
12	Und auch die fernsten Meere sind bei mir.
13	Nicht ich, nicht du, ein Freudebrausen nur
14	Und Liebesruf ins All. Verborgener,
15	Du warst in deinem Sturm bei mir!

Details zum Gedicht „Geist im Sturm“

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Geist im Sturm“ wurde von Paul Haller, einem österreichischen Autor, geschrieben, der von 1882 bis 1920 lebte. Es gehört somit zur Literatur der frühen Moderne bzw. dem Expressionismus.

Beim ersten Lesen fällt auf, dass das lyrische Ich das Erleben von Sturm und Nacht als etwas Tröstendes darstellt. Trotz der möglicherweise als Unbehagen empfundenen Witterungsbedingungen wird ein Gefühl der Verbundenheit und Nähe zu etwas Größerem ausgedrückt.

Der Inhalt des Gedichts dreht sich um das Erleben eines Sturms in der Nacht. Das lyrische Ich spricht direkt zu diesem ‚Du‘, das als der nicht fassbare ‚Geist im Sturm‘ gedeutet werden kann. Durch den Sturm scheint das lyrische Ich einen Zustand tiefer Ruhe und Geborgenheit zu erlangen, was im ersten Abschnitt durch das Bild der „ruhenden Seele“ verdeutlicht wird. Im weiteren Verlauf wird die Nacht als Begleiterin dargestellt, die dem lyrischen Ich nicht nur Trost spendet, sondern auch mit ihm verschmilzt. Es entsteht ein intensives Gefühl der Verbundenheit und Einheit. In der letzten Strophe wird die Nähe zu den Menschen und der Natur thematisiert und die unermessliche Liebe und Freude ins All gerufen.

Formal besteht das Gedicht aus drei Strophen mit jeweils fünf Versen. Die verwendete Sprache ist einfach gehalten, aber stark von Naturmetaphern geprägt. Es finden sich mehrere Parallelismen, wie beispielsweise „Sturm und Regen“, „Sturm um mich“ und „in deinem Sturm“, welche die wiederkehrende und prägende Rolle des Sturms unterstreichen. Die Verwendung des Personalpronomens „Du“ zu Beginn der ersten und letzten Strophe schafft ein eindringliches bildhaftes Gespräch zwischen dem lyrischen Ich und dem Geist des Sturms. Rhetorische Fragen in Vers 8 intensivieren dazu den emotionalen Ton des Gedichts.

Zusammenfassend könnte man sagen, dass das Gedicht eine intensive und berührende Darstellung der Begegnung zwischen Mensch und Natur ist. Der Sturm wird dabei personifiziert und symbolisiert die ungreifbare Kraft und Stärke der Natur. Gleichzeitig ist es Ausdruck menschlicher Suche nach Sinn, Geborgenheit und Verbundenheit in einer Welt, die oft als stürmisch und unsicher wahrgenommen wird.

Weitere Informationen

Paul Haller ist der Autor des Gedichtes „Geist im Sturm“. Geboren wurde Haller im Jahr 1882 in Rein bei Brugg. Das Gedicht ist in der Zeit von 1898 bis 1920 entstanden. Der Erscheinungsort ist Aarau. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Naturalismus zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Haller handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 111 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 15 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Paul Haller ist auch der Autor für Gedichte wie „An die Mutter“, „An die blasse Sonne I“ und „An die blasse Sonne II“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Geist im Sturm“ weitere 65 Gedichte vor.

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