Gefühl am ersten Oktober 1781 von Christian Friedrich Daniel Schubart

Woher das Jauchzen dort auf jenen Traubenhügeln?
Woher das Evan Evoe?
Wem glüht die Wang’? wer ists, den ich in bunten Flügeln
Den hohen Thyrsus schwingen seh?
 
Ist es der Genius des freudigen Getümmels,
Und zahlreich sein Gefolg umher? –
Im offnen Füllhorn trägt er das Geschenk des Himmels,
Und vor Entzükken taumelt er! –
 
Wie prächtig glänzt sie dort hervor die goldne Traube:
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Vom ersten Morgenstral begrüßt!
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Wie freundlich winkt er nicht den Schatten jener Laube,
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Die voll von Seegen überfließt!
 
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Ha! sey willkommen mir, du festlicher Oktober!
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Sey, Erstling! ganz willkommen mir!
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Weit reinern Dank bring ich, als alle deine Lober,
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Bring ihn mit mehr Empfindung dir.
 
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Denn du bist es, der mir Ihn, den ich theuer schäze,
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Und zärtlich liebe bis zum Grab,
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Ihn, der verdient, daß Ihm mein Herz ein Denkmal seze,
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Den besten Freund in Rieger gab.
 
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Zwar wigt dein Hauch, - kömmst du, - den letzten Schmuck der Bäume,
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Die Blätter in Melancholie:
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Still sinken sie herab: und schnell, – wie Morgenträume
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Bei dem Erwachen – fliehen sie.
 
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Zwar folgt dir auf dem Fus der flokkigte Zerstörer,
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Den jede Saite der Natur
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Im dumpfen Mißklang stimmt, daß öder dann und leerer
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Rings um sie trauren Hain und Flur.
 
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Doch sieh, wie schwindet es bei jedem frohen Mahle,
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Des Alters, ach! so düstres Bild:
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Wann in gehobner Hand aus schäumendem Pokale
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Der Freude edler Purpur quillt!
 
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Wie schwindet es, wann bei vertraulichen Gesprächen,
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Der Freund von seinem Freund umarmt,
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Um an dem kalten Nord des Winters sich zu rächen,
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An seines Busens Glut erwarmt!
 
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Und lächeln sie uns einst des Frühlings Kinder wieder,
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Wann all die jugendliche Pracht,
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Wann jede Melodie der wonnevollen Lieder,
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Mit ihnen jede Lust erwacht:
 
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Wie heiter strömts alsdann durch unsre ganze Seele:
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Welch Leben stralt in unserm Blick!
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Ruft uns nicht der Akzent der sanften Philomele
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Und jugendliche Kraft zurück!
 
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So lisple, – denkt sich heut’ auch Rieger den Gedanken,
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Des Sturms, der uns im Alter beugt: –
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Leis’ Ihm Sein Schuzgeist zu, wann von den blauen Schranken
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Herab der Abendstern sich neigt.
 
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Still führ’ er Ihn hinaus auf jene Donnerhöhe,
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Lenk’ Ihm Sein Aug, daß Er im Thal, –
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Auf dem Gefild umher, – all Seine Freunde sehe,
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Und daß Ihm hoch bey Ihrer Zahl,
 
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Und höher Ihm alsdann auf jener heil’gen Stelle,
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Dekt er Ihm die Gesinnungen
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Der wahren Freundschaft auf, – gedrängt, – die Brust Ihm schwelle,
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Fühlt Er: sie alle lieben Ihn!
 
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Laut wird sie dann – hinauf, die ferne Stimme, schallen:
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„Auch G * * * ist ein Freund von Dir!
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Wann Silberlokken ihm nicht mehr die Schläf’ umwallen,
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Ist G * * * noch ein Freund von Dir!
 
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Auch jenseits“, – und nun glänz Ihm die krystallne Zäre
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Im Aug’: – „Auch dorten liebt er dann,
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Dich einst noch, wann sein Herz in jener Frühlingssphäre
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Sich an das Deine schliesen kann.“
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Gefühl am ersten Oktober 1781“

Anzahl Strophen
16
Anzahl Verse
64
Anzahl Wörter
459
Entstehungsjahr
1782
Epoche
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht ist ein Werk des Dichters Christian Friedrich Daniel Schubart und trägt den Titel „Gefühl am ersten Oktober 1781“. Schubart war ein deutscher Dichter, Komponist, Organist und Journalist, der zwischen 1739 und 1791 gelebt hat. Er gehört zur Epoche des Sturm und Drang, welche eine literarische Strömung des 18. Jahrhunderts ist und sich durch leidenschaftliche und oft rebellische Inhalte auszeichnet.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht fröhlich und feierlich, da es den Oktober und die Weinernte feiert. Allerdings gibt es auch tiefere, melancholische Untertöne, wenn es die Vergänglichkeit des Lebens und die Freuden der Freundschaft thematisiert.

Das Gedicht beginnt mit einer Strophe, die das Weinlesen und die damit verbundene Freude beschreibt. Das lyrische Ich stellt fest, dass der Oktober gekommen ist und feiert dies. Es bringt seine Dankbarkeit für die Ernte und das Geschenk des Weins zum Ausdruck. Das Gedicht geht dann über zu einer Reflexion über die Vergänglichkeit des Lebens, symbolisiert durch den vergänglichen Schmuck der Bäume.

Trotz der Vergänglichkeit des Lebens stellt das lyrische Ich fest, dass die Freuden des Lebens – wie die Gespräche mit Freunden und die Jugend – die Dunkelheit des Alterns vertreiben können. Das Gedicht endet mit einer freundschaftlichen Huldigung an einen Freund namens Rieger und betont die Schönheit und Unsterblichkeit der Freundschaft.

Das Gedicht ist in Vierzeilern verfasst, die jeweils durch eine leere Zeile getrennt sind – eine sehr gebräuchliche Form in der Lyrik. Bei der Analyse der Sprache fällt auf, dass Schubart eine bildhafte, metaphorische Sprache verwendet, um seine Gedanken und Gefühle zu vermitteln.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Schubarts „Gefühl am ersten Oktober 1781“ eine feierliche und gleichzeitig nachdenkliche Ode an den Oktober, die Weinernte, die Freude der Freundschaft und die Vergänglichkeit des Lebens ist. Durch den gelungenen Einsatz von Metaphorik und lyrischer Gestaltung vermittelt der Autor eine feierliche Stimmung und regt zugleich zum Nachdenken über tiefere, lebensphilosophische Fragen an.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Gefühl am ersten Oktober 1781“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Christian Friedrich Daniel Schubart. 1739 wurde Schubart in Obersontheim geboren. 1782 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Stuttgart. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Sturm & Drang kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Schubart handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Epoche des Sturm und Drang ist eine Strömung in der deutschen Literaturgeschichte, die häufig auch als Geniezeit oder Genieperiode bezeichnet wird. Die Epoche ordnet sich nach der Literaturepoche der Empfindsamkeit und vor der Klassik ein. Sie lässt sich auf die Zeit zwischen 1765 und 1790 eingrenzen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Protest- und Jugendbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig Schriftsteller im jungen Alter, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde besonders darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Nachahmung und Idealisierung von Autoren aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Goethe, Schiller und die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Das 459 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 64 Versen mit insgesamt 16 Strophen. Der Dichter Christian Friedrich Daniel Schubart ist auch der Autor für Gedichte wie „Die Gruft der Fürsten“, „Kaplied“ und „Lisels Brautlied“. Zum Autor des Gedichtes „Gefühl am ersten Oktober 1781“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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