Gebet eines Irländers von Georg Weerth

Sankt Patrick, großer Schutzpatron,
Du sitzest auf dem warmen Himmelsthron;
O sieh mich an mit freundlichem Sinn,
Dieweil ich ein armer Paddy bin.
 
Sankt Patrick, sieh, die Nacht kommt bald,
Von England weht es herüber so kalt.
O blicke auf meinen schäbigen Frack
Und auf meinen löchrigen Bettelsack.
 
Sankt Patrick, thu’, was dir gefällt,
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So groß und so schön ist ja alle Welt;
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O laß mich werden, was du willt –
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Nur bleiben nicht solch’ ein Menschenbild.
 
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O laß mich werden ein Blümlein blau,
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Dann mag ich trinken den kühlen Thau.
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O laß mich werden ein braunes Reh,
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Dann kann ich fressen den grünen Klee.
 
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O laß mich werden ein stolzer Bär,
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Dann geh’ ich im warmen Rock daher.
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O laß mich werden ein schöner Schwan,
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Dann wohn’ ich auf Strom und Ocean.
 
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O mach’ aus mir einen Panther wild!
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Einen Leu! daß hoch meine Mähne schwillt.
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Einen Tiger! auf daß ich manch reichen Tyrann
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Mit rasselnden Tatzen zerreißen kann! –
 
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Doch, Patrick, ach! taub bleibt dein Ohr;
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Der Paddy bleib’ ich wohl nach wie vor.
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’s bleibt Alles wie sonst und die Nacht ist kalt,
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Und der Dan O’Connell*) wird dick und alt.
 
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*) Nationaler irischer Agitator.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.1 KB)

Details zum Gedicht „Gebet eines Irländers“

Autor
Georg Weerth
Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
29
Anzahl Wörter
196
Entstehungsjahr
nach 1838
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Gebet eines Irländers“ gehört zur Feder von Georg Weerth, welcher im 19. Jahrhundert lebte und arbeitete. Weerth war ein wichtiger Vertreter des sozialen Realismus, einer Stilrichtung, die sich durch ihre gesellschaftskritische Haltung auszeichnet. Mit seinen Texten setzte er sich vor allem für die Benachteiligten in der Gesellschaft ein.

Dieses Gedicht gibt sich zunächst als ein schlichtes Gebet eines armen Iren - oder „Paddy“, wie es abwertend heißt - an den Heiligen Patrick, den Schutzpatron Irlands. Der Sprecher ist anscheinend ein armer Bettler, der in einem abgenutzten Frack lebt und angesichts der Kälte, die „von England bläst“, um Hilfe bittet.

Im Verlauf des Gebetes formen sich die Bitten des lyrischen Ichs jedoch um in einen Ausdruck von Frustration und Unzufriedenheit mit seiner menschlichen Existenz und Gesellschaftsposition. Er wünscht sich, in einer anderen Form wieder geboren zu werden - als Blume, Reh, Bär, Schwan oder sogar als wilder Panther, Löwe oder Tiger - irgendetwas, damit er nicht mehr ein „solch’ ein Menschenbild“ bleiben muss. Diese Wünsche stehen symbolisch für mehr Freiheit, Unabhängigkeit, Stärke und Schönheit als das, was ihm seine jetzige menschliche Existenz bietet.

Trotz seiner eindringlichen Bitten bleibt der Heilige Patrick stumm und das lyrische Ich hat das Gefühl, dass sich an seiner Situation nichts ändert. Der letzte Vers verweist auf einen realen historischen Kontext, die irische nationale Befreiungsbewegung, vertreten durch den „nationalen irischen Agitator“ Dan O’Connell. Nichts ändert sich und O’Connell „wird dick und alt“, ein kritisches Kommentar zur Unfähigkeit der politischen Führung, wirklichen gesellschaftlichen Wandel zu bewirken.

In Bezug auf die Form ist das Gedicht in acht Strophen unterteilt, jede davon mit vier Versen, die ein reguläres Reimschema aufweisen. Die Sprache ist einfach und direkt, aber mit starken, lebendigen Bildern, die das erreichen, was Weerth beabsichtigt: die Darstellung sozialer Ungerechtigkeit und das Gefühl der Hilflosigkeit und Frustration.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Gebet eines Irländers“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Georg Weerth. Weerth wurde im Jahr 1822 in Detmold geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1838 und 1856. Der Erscheinungsort ist Zürich. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Weerth ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 29 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 196 Worte. Georg Weerth ist auch der Autor für Gedichte wie „Die hundert Männer von Haswell.“, „Die rheinischen Weinbauern.“ und „Erst achtzehn Jahr“. Zum Autor des Gedichtes „Gebet eines Irländers“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 12 Gedichte vor.

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