Erklärung eines alten Holzschnittes von Johann Wolfgang von Goethe
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Erklärung eines alten Holzschnittes, |
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vorstellend Hans Sachsens |
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poetische Sendung |
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In seiner Werkstatt sonntags früh |
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Steht unser teurer Meister hie: |
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Sein schmutzig Schurzfell abgelegt, |
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Einen saubern Feierwams er trägt, |
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Läßt Pechdraht, Hammer und Kneipe rasten, |
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Die Ahl steckt an dem Arbeitskasten; |
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Er ruht nun auch am siebten Tag |
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Von manchem Zug und manchem Schlag. |
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Wie er die Frühlingssonne spürt, |
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Die Ruh ihm neue Arbeit gebiert: |
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Er fühlt, daß er eine kleine Welt |
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In seinem Gehirne brütend hält, |
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Daß die fängt an zu wirken und leben, |
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Daß er sie gerne möcht von sich geben. |
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Er hätt ein Auge treu und klug |
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Und wär auch liebevoll genug, |
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Zu schauen manches klar und rein |
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Und wieder alles zu machen sein; |
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Hätt auch eine Zunge, die sich ergoß |
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Und leicht und fein in Worte floß. |
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Des täten die Musen sich erfreun, |
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Wollten ihn zum Meistersänger weihn. |
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Da tritt herein ein junges Weib, |
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Mit voller Brust und rundem Leib, |
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Kräftig sie auf den Füßen steht, |
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Grad, edel vor sich hin sie geht, |
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Ohne mit Schlepp und Steiß zu schwänzen |
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Oder mit den Augen herum zu scharlenzen. |
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Sie trägt einen Maßstab in ihrer Hand, |
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Ihr Gürtel ist ein gülden Band, |
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Hätt auf dem Haupt einen Kornährkranz, |
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Ihr Auge war lichten Tages Glanz; |
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Man nennt sie Tätig-, Ehrbarkeit, |
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Sonst auch Großmut, Rechtfertigkeit. |
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Die tritt mit gutem Gruß herein; |
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Er drob nicht mag verwundert sein, |
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Denn wie sie ist, so gut und schön, |
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Meint er, er hätt sie lang gesehn. |
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Die spricht: »Ich habe dich auserlesen |
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Vor vielen in dem Weltwirrwesen, |
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Daß du sollst haben klare Sinnen, |
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Nichts Ungeschicklichs magst beginnen. |
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Wenn andre durcheinanderrennen, |
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Sollst du's mit treuem Blick erkennen; |
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Wenn andre bärmlich sich beklagen, |
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Sollst schwankweis deine Sach fürtragen; |
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Sollst halten über Ehr und Recht, |
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In allem Ding sein schlicht und schlecht, |
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Frummkeit und Tugend bieder preisen, |
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Das Böse mit seinem Namen heißen. |
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Nichts verlindert und nichts verwitzelt, |
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Nichts verzierlicht und nichts verkritzelt; |
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Sondern die Welt soll vor dir stehn, |
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Wie Albrecht Dürer sie hat gesehn: |
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Ihr festes Leben und Männlichkeit, |
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Ihre innre Kraft und Ständigkeit. |
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Der Naturgenius an der Hand |
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Soll dich führen durch alle Land, |
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Soll dir zeigen alles Leben, |
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Der Menschen wunderliches Weben, |
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Ihr Wirren, Suchen, Stoßen und Treiben, |
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Schieben, Reißen, Drängen und Reiben, |
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Wie kunterbunt die Wirtschaft tollert, |
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Der Ameishauf durcheinanderkollert; |
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Mag dir aber bei allem geschehn, |
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Als tätst in einen Zauberkasten sehn. |
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Schreib das dem Menschenvolk auf Erden, |
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Ob's ihm möcht eine Witzung werden.« |
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Da macht sie ihm ein Fenster auf, |
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Zeigt ihm draußen viel bunten Hauf, |
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Unter dem Himmel allerlei Wesen, |
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Wie ihr's mögt in seinen Schriften lesen. |
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Wie nun der liebe Meister sich |
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An der Natur freut wunniglich, |
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Da seht ihr an der andern Seiten |
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Ein altes Weiblein zu ihm gleiten: |
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Man nennet sie Historia, |
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Mythologia, Fabula; |
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Sie schleppt mit keichend-wankenden Schritten |
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Ein' große Tafel, in Holz geschnitten; |
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Darauf seht ihr mit weiten Ärmeln und Falten |
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Gottvater Kinderlehre halten, |
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Adam, Eva, Paradies und Schlang, |
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Sodom und Gomorrhas Untergang, |
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Könnt auch die zwölf durchlauchtigen Frauen |
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Da in einem Ehrenspiegel schauen; |
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Dann allerlei Blutdurst, Frevel und Mord, |
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Der zwölf Tyrannen Schandenport; |
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Auch allerlei Lehr und gute Weis, |
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Könnt sehn Sankt Peter mit der Geiß, |
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Über der Welt Regiment unzufrieden, |
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Von unserm Herrn zurechtbeschieden. |
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Auch war bemalt der weite Raum |
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Ihres Kleids und Schlepps und auch der Saum |
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Mit weltlich Tugend- und Lastergeschicht. |
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Unser Meister das all ersicht |
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Und freut sich dessen wundersam, |
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Denn es dient wohl in seinen Kram. |
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Von wannen er sich eignet sehr |
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Gut Exempel und gute Lehr, |
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Erzählt das eben fix und treu, |
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Als wär er selbst gesyn dabei. |
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Sein Geist war ganz dahin gebannt, |
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Er hätt kein Auge davon verwandt, |
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Hätt er nicht hinter seinem Rucken |
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Hören mit Klappern und Schellen spucken. |
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Da tät er einen Narren spüren |
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Mit Bocks- und Affensprüng hofieren |
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Und ihm mit Schwank und Narreteiden |
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Ein lustig Zwischenspiel bereiten. |
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Schleppt hinter sich an einer Leinen |
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Alle Narren, groß' und kleinen, |
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Dick und hager, gestreckt und krumb, |
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Allzu witzig und allzu dumb. |
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Mit einem großen Farrenschwanz |
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Regiert er sie wie ein' Affentanz; |
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Bespöttet eines jeden Fürm, |
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Treibt sie ins Bad, schneidt ihnen die Würm |
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Und führt gar bitter viel Beschwerden, |
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Daß ihrer doch nicht wollen wen'ger werden. |
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Wie er sich sieht so um und um, |
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Kehrt ihm das fast den Kopf herum; |
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Wie er wollt Worte zu allem finden, |
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Wie er möcht soviel Schwall verbinden, |
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Wie er möcht immer mutig bleiben, |
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So fort zu singen und zu schreiben? |
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Da steigt auf einer Wolke Saum |
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Herein zu 's Oberfensters Raum |
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Die Muse, heilig anzuschauen |
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Wie ein Bild unsrer Lieben Frauen. |
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Die umgibt ihn mit ihrer Klarheit |
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Immer kräftig würkender Wahrheit. |
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Sie spricht: »Ich komm, um dich zu weihn, |
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Nimm meinen Segen und Gedeihn! |
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Ein heilig Feuer, das in dir ruht, |
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Schlag aus in hohe, lichte Glut! |
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Doch daß das Leben, das dich treibt, |
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Immer bei holden Kräften bleibt, |
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Hab ich deinem innern Wesen |
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Nahrung und Balsam auserlesen, |
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Daß deine Seel sei wonnereich, |
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Einer Knospe im Taue gleich.« |
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Da zeigt sie ihm hinter seinem Haus |
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Heimlich zur Hintertür hinaus |
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In dem eng umzäunten Garten |
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Ein holdes Mägdlein sitzend warten |
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Am Bächlein, beim Holunderstrauch; |
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Mit abgesenktem Haupt und Aug, |
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Sitzt unter einem Apfelbaum |
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Und spürt die Welt rings um sich kaum, |
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Hat Rosen in ihren Schoß gepflückt |
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Und bindet ein Kränzlein sehr geschickt, |
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Mit hellen Knospen und Blättern drein. |
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Für wen mag wohl das Kränzel sein? |
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So sitzt sie in sich selbst geneigt, |
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In Hoffnungsfülle ihr Busen steigt, |
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Ihr Wesen ist so ahndevoll, |
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Weiß nicht, was sie sich wünschen soll, |
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Und unter vieler Grillen Lauf |
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Steigt wohl einmal ein Seufzer auf. |
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Warum ist deine Stirn so trüb? |
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Das, was dich dränget, süße Lieb, |
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Ist volle Wonn und Seligkeit, |
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Die dir in einem ist bereit, |
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Der manches Schicksal wirrevoll |
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An deinem Auge sich lindern soll, |
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Der durch manch wunniglichen Kuß |
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Wiedergeboren werden muß; |
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Wie er den schlanken Leib umfaßt, |
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Von aller Mühe findet Rast, |
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Wie er ins liebe Ärmlein sinkt, |
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Neue Lebenstag' und Kräfte trinkt; |
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Und dir kehrt neues Jugendglück, |
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Deine Schalkheit kehret dir zurück. |
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Mit Necken und manchen Schelmereien |
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Wirst ihn bald nagen, bald erfreuen. |
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So wird die Liebe nimmer alt |
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Und wird der Dichter nimmer kalt! |
Details zum Gedicht „Erklärung eines alten Holzschnittes“
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181
1018
1749 - 1832
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Johann Wolfgang von Goethe ist der Autor des Gedichtes „Erklärung eines alten Holzschnittes“. 1749 wurde Goethe in Frankfurt am Main geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1765 bis 1832 entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Goethe ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.
Die Epoche des Sturm und Drang reicht zeitlich etwa von 1765 bis 1790. Sie ist eine Strömung innerhalb der Aufklärung (1720–1790) und überschneidet sich teilweise mit der Epoche der Empfindsamkeit (1740–1790) und ihren Merkmalen. Häufig wird der Sturm und Drang auch als Geniezeit oder Genieperiode bezeichnet. Die Klassik knüpft an die Literaturepoche des Sturm und Drang an. Die Epoche des Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System wendeten. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig junge Schriftsteller im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde im Besonderen darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Schiller, Goethe und die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.
Die Weimarer Klassik ist eine Epoche der deutschen Literaturgeschichte, die von zwei zentralen Dichtern geprägt wurde: Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Die Literaturepoche beginnt im Jahr 1786 mit Goethes Italienreise und endet im Jahr 1832 mit Goethes Tod. Es gibt aber auch Definitionen, die das gemeinsame Schaffen der beiden befreundeten Dichter Goethe und Schiller von 1794 bis zu Schillers Tod 1805 als Weimarer Klassik zeitlich festlegen. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind gebräuchliche Bezeichnungen für die Literaturepoche. Der Begriff Humanität ist von zentraler Bedeutung für die Zeit der Weimarer Klassik. Die wichtigsten inhaltlichen Merkmale der Klassik sind: Harmonie, Selbstbestimmung, Menschlichkeit, Toleranz und die Schönheit. In der Lyrik haben die Autoren auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. So war beispielsweise die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders beliebt. Darüber hinaus verwendeten die Autoren jener Zeit eine gehobene, pathetische Sprache. Die wichtigsten Dichter der Weimarer Klassik sind: Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Johann Gottfried von Herder und Christoph Martin Wieland.
Das 1018 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 181 Versen mit insgesamt 12 Strophen. Der Dichter Johann Wolfgang von Goethe ist auch der Autor für Gedichte wie „An die Entfernte“, „An die Günstigen“ und „An einen jungen Prahler“. Zum Autor des Gedichtes „Erklärung eines alten Holzschnittes“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1617 Gedichte veröffentlicht.
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