An Mignon von Johann Christoph Ludwig Thilo

Im Herbst, in heitrer Abendstille,
Da trugen sie zur Gruft hinab
Die theuren Reste deiner Hülle
Und senkten sie ins dumpfe Grab.
Und deine Mitgespielen sangen
Im Mädchen und im Jünglings-Chor;
Dann kehrten sie mit nassen Wangen
Still wieder in das Leben vor.
Du selbst erwachest bald vom Schlummer,
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Dann öfnet sich der frische Blick,
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Und der verschmähten Liebe Kummer
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Versinkt ins öde Grab zurück.
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Du rettest froh die heil’gen Gluthen
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Die dein verkanntes Herz durchwallt,
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Aus diesen kalten Lebensfluthen
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In die verklärte Lichtgestalt.
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Auch meinen Leib hat bald der Kummer,
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Wie einst den deinigen zernagt,
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Ich schlafe fest den Todesschlummer,
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Bis mir das beßre Leben tagt.
 
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Dann find’ ich dort an deinem Herzen
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Des wärmsten Mitgefühles Glück,
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In Wehmuth lösen meine Schmerzen
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In Thränen sich der Sehnsucht Blick.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „An Mignon“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
130
Entstehungsjahr
1799
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An Mignon“ stammt von dem deutschen Dichter Johann Christoph Ludwig Thilo, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte und arbeitete. Dadurch kann es der romantischen Epoche zugeordnet werden.

Schon beim ersten Lesen fällt die melancholische und intime Atmosphäre des Gedichts auf. Das lyrische Ich wendet sich an eine nicht näher erläuterte Person, die als „Mignon“ tituliert wird und offenbar verstorben ist. Dieses Antlitz von Trauer und Verlust prägt den ersten Eindruck des Gedichts.

Der Inhalt des Gedichts konzentriert sich auf die Empfindungen des lyrischen Ichs in Bezug auf den Tod dieser Mignon. Es schildert ihr Begräbnis (Verse 1-8), stellt Überlegungen über ihr Erwachen im Jenseits an (Verse 9-16) und schließlich kommt es zu einer Reflexion über das eigene bevorstehende Sterben und ein mögliches Wiedersehen mit Mignon im Jenseits (Verse 17-24).

In Bezug auf die Form des Gedichts fällt die ausführliche Gliederung in eine erste Strophe mit 20 Versen und eine zweite, kürzere Strophe mit 4 Versen auf. Dies lässt eventuell auf eine bestimmte Bedeutung hinweisen, zum Beispiel könnte die lange Strophe das gegenwärtige Leben und die kurzere Strophe das Jenseits darstellen.

Die Sprache des Gedichts weist die für die romantische Epoche typischen ornamentalen und emotional ausfälligen Züge auf, die die Leser*innen direkt in das Gefühlsleben des lyrischen Ichs hineinziehen. Es nutzt Metaphern wie „heil’gen Gluthen“, „kalten Lebensfluthen“ oder „verklärte Lichtgestalt“, die dem Gedicht eine starke symbolische Tiefe verleihen. Dabei ist die Sprache aber dennoch verständlich und nachvollziehbar.

Insgesamt bietet „An Mignon“ eine intensive Beschäftigung mit den Themen Tod, Verlust und Sehnsucht und kündigt einen hoffnungsvollen Blick auf ein Wiedersehen im Jenseits an. Der melancholische Ton und die innige Zuneigung des lyrischen Ichs zu Mignon machen das Gedicht zu einem eindrücklichen literarischen Zeugnis der Romantik.

Weitere Informationen

Das Gedicht „An Mignon“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Christoph Ludwig Thilo. Im Jahr 1775 wurde Thilo geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1799 zurück. Der Erscheinungsort ist Tübingen. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Klassik oder Romantik zugeordnet werden. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das 130 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 2 Strophen. Ein weiteres Werk des Dichters Johann Christoph Ludwig Thilo ist „Das Grab“. Zum Autor des Gedichtes „An Mignon“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.

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