Fürstensorgen von Ludwig Thoma

Die Fürstenhäuser, so wie man weiß,
Bilden einen großen Familienkreis;
Sie bleiben, selbst wenn sie ihre Unterthanen
Zum Abmetzgern rufen unter die Fahnen,
Auf gutem Fuße; sie können sich zügeln,
Und lassen bloß die dummen Völker sich prügeln.
Noch mehr aber, wenn friedliche Winde wehen,
Kann man eine erquickende Eintracht sehen,
Und selbst die entlegensten Fürstensprossen
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Sind in die Fürsorge mit eingeschlossen.
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Wenn zum Beispiel in einem Lande,
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Wo das Hammelstehlen noch keine Schande,
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Sich kratzte ein prinzlicher Jüngeling,
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Indem er zu heftig seine Läuse fing,
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Und dabei erhielt eine kleine Schramme,
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Kommen von vielen Höfen Telegramme,
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Man dankt dem Allgütigen, daß es so abgegangen
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Bei Seiner Hoheit wütendem Lausefangen.
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Oder wenn gar dieses passiert,
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Daß eine englische Prinzessin krank wird,
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Weil sie so lange gefressen und gesoffen,
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Bis der durchlauchteste Leib nicht mehr offen,
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Und in dero prinzeßlichem Magen
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Sich ganz gemeine Winde verschlagen;
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Da depeschieren die Fürsten bestürzt:
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Haben Ihre Hoheit noch nicht gef....?
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Von den Herrscherstirnen verschwinden die Schatten
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Erst, wenn Ihre Hoheit einen Stuhlgang hatten.
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Ja, sie sind edel und ersten Rangs,
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Der Fürsten zärtliche Sangtimangs!
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In der Sorge für das eigne Ergehen
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Können sie selbstverständlich nicht sehen,
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Wie elend der Buren Kinder verderben,
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Und wie sie alle am Hunger sterben.
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Das Elend hat keinem das Herz gerührt,
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Und keiner von ihnen hat Mitleid gespürt:
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Doch morgen meldet wieder der Draht,
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Ob die Prinzessin einen Stuhlgang hat.
 
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Peter Schlemihl
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Fürstensorgen“

Autor
Ludwig Thoma
Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
39
Anzahl Wörter
233
Entstehungsjahr
1902
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorgelegte Gedicht „Fürstensorgen“ stammt von Ludwig Thoma, einem deutschen Schriftsteller und Publizisten der Moderne, der von 1867 bis 1921 lebte. Das Werk steht somit im Kontext der politischen, gesellschaftlichen und literarischen Umbrüche des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

Auf den ersten Blick fällt auf, dass das Gedicht einen satirischen und zynischen Ton hat und sich kritisch mit der aristokratischen Gesellschaft auseinandersetzt. So nimmt Thoma besonders das Verhalten und die Prioritäten der Fürstenhäuser ins Visier, die er als oberflächlich und selbstbezogen darstellt.

Inhaltlich richtet sich das lyrische Ich an die Leser und schildert die engen Beziehungen und die scheinbar heile Welt innerhalb der Fürstenfamilien, die zueinander stehen, selbst wenn sie ihre Untertanen in Kriege schicken. Dieses Bild wird kontrastiert durch die Schilderung trivialer und absurder Probleme innerhalb der Fürstenhäuser, wie z.B. die Sorgen um den Stuhlgang einer Prinzessin. Gleichzeitig kritisiert das lyrische Ich die Gleichgültigkeit der Fürsten gegenüber dem Leid der einfachen Bevölkerung und vor allem der Kinder, die unter Hunger und Elend leiden.

Formal ist das Gedicht in zweistichige Verse unterteilt, was einen flotten Rhythmus erzeugt und die satirische Wirkung unterstützt. In Bezug auf die Sprache bedient sich Thoma einer einfachen, jedoch bildhaften und zum Teil derben Sprache. Dies unterstreicht die Kritik an den Adelshäusern und deren Ignoranz gegenüber den realen Problemen der Bevölkerung.

Zusammenfassend ist „Fürstensorgen“ ein scharfzüngiges, satirisches Gedicht, das die Prioritäten der Aristokratie des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts kritisch hinterfragt. Ludwig Thoma nutzt dabei bildhafte, oft derbe Sprache, um auf die Absurdität der Fürstensorgen hinzuweisen, während die „echten“ Probleme der Gesellschaft ignoriert werden.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Fürstensorgen“ des Autors Ludwig Thoma. Geboren wurde Thoma im Jahr 1867 in Oberammergau. Das Gedicht ist im Jahr 1902 entstanden. Der Erscheinungsort ist München. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 233 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 39 Versen mit insgesamt 2 Strophen. Weitere Werke des Dichters Ludwig Thoma sind „Jahreswende“, „Karneval“ und „Neujahr bei Pastors“. Zum Autor des Gedichtes „Fürstensorgen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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