Fronleichnamsprozession von Georg Heym
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O weites Land des Sommers und der Winde, |
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Der reinen Wolken, die dem Wind sich bieten. |
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Wo goldener Weizen reift und die Gebinde |
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Des gelben Rockens trocknen in den Mieten. |
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Die Erde dämmert von den Düften allen, |
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Von grünen Winden und des Mohnes Farben, |
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Des schwere Köpfe auf den Stielen fallen |
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Und weithin brennen aus den hohen Garben. |
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Des Feldwegs Brücke steigt im halben Bogen, |
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Wo helle Wellen weiße Kiesel feuchten. |
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Die Wassergräser werden fortgezogen, |
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Die in der Sonne aus dem Bache leuchten. |
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Die Brücke schwankt herauf die erste Fahne. |
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Sie flammt von Gold und Rot. Die Seidenquasten |
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Zu beiden Seiten halten Kastellane |
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Im alten Chorrock, dem von Staub verblaßten. |
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Man hört Gesang. Die jungen Priester kommen. |
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Barhäuptig gehen sie vor den Prälaten. |
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Zu Flöten schallt der Meßgesang. Die frommen |
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Und alten Lieder wandern durch die Saaten. |
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In weißen Kleidchen kommen Kinder singend. |
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Sie tragen kleine Kränze in den Haaren. |
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Und Knaben, runde Weihrauchkessel schwingend, |
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Im Spitzenrock und roten Festtalaren. |
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Die Kirchenbilder kommen auf Altären. |
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Mariens Wunden brennen hell im Licht. |
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Und Christus naht, von Blumen bunt, die wehren |
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Die Sonne von dem gelben Holzgesicht. |
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Im Baldachine glänzt des Bischofs Krone. |
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Er schreitet singend mit dem heiligen Schrein. |
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Der hohe Stimmenschall der Diakone |
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Fliegt weit hinaus durch Land und Felderreih’n. |
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Der Truhen Glanz weht um die alte Tracht. |
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Die Kessel dampfen, drin die Kräuter kohlen. |
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Sie ziehen durch der weiten Felder Pracht, |
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Und matter glänzen die vergilbten Stolen. |
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Der Zug wird kleiner. Der Gesang verhallt. |
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Sie ziehn dahin, dem grünen Wald entgegen. |
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Er tut sich auf. Der Glanz verzieht im Wald, |
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Wo goldne Stille träumt auf dunklen Wegen. |
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Der Mittag kommt. Es schläft das weite Land, |
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Die tiefen Wege, wo die Schwalbe schweift, |
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Und eine Mühle steht am Himmelsrand, |
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Die ewig nach den weißen Wolken greift. |
Details zum Gedicht „Fronleichnamsprozession“
Georg Heym
11
44
297
1911
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Fronleichnamsprozession“, verfasst von Georg Heym, wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschrieben. Heym zählt zur Literatur der Moderne und ist repräsentativ für die Stilrichtung des Expressionismus.
Schon beim ersten Lesen fällt die intensive und anschauliche Beschreibung der Natur auf, die stark mit den Elementen der Prozession verwoben ist. Das lyrische Ich nimmt die Umgebung und das religiöse Ritual detailgenau wahr, transportiert eine Stimmung von Ruhe, Ehrfurcht und Anmut.
Inhaltlich betrachtet, stellt das Gedicht die Szenerie einer Fronleichnamsprozession dar, einem christlichen Ritual, das im Sommer stattfindet. Die ersten drei Strophen beschreiben die natürliche Umgebung, in der die Prozession stattfindet: die reifen Felder, fließende Bäche und die sommerliche Hitze.Die darauf folgenden Strophen schildern nacheinander die Teilnehmer der Prozession: Von den Priestern über Kinder bis hin zum Bischof. Jedes Element der Prozession, von den Kirchenbildern bis zur Bischofskrone, wird in bildhaften Metaphern beschrieben, wodurch eine festliche und feierliche Atmosphäre entsteht. Am Ende zieht die Prozession in den Wald hinein und die Stille des Mittags legt sich über das Land.
In Bezug auf die Aussage des lyrischen Ichs scheint das Gedicht eine Sinnlichkeit und Ehrfurcht gegenüber der traditionellen religiösen Praxis zum Ausdruck zu bringen. Diese wird in Einheit mit der natürlichen Umgebung dargestellt, die nicht als getrennt oder verschieden wahrgenommen wird, sondern als ein und dieselbe Szenerie.
In puncto Sprache und Form fällt zunächst die konsequente Vierzeiligkeit der Strophen auf, die das Gedicht in klare Abschnitte gliedert. Die Sprache ist reich an Metaphern und Vergleichen, um die Schönheit der beschriebenen Szenerie zum Ausdruck zu bringen. Durch die vielen sinnlichen Eindrücke, welche die Worte des Gedichts hervorrufen, sowie die so geschaffene Stimmung, erhält dieses eine starke emotionale Wirkung auf die Leser. Der Wechsel zwischen der Beschreibung der naturgegebenen Umgebung und der religiösen Zeremonie schafft zudem einen Rhythmus, der den Lesefluss unterstützt und das Gedicht spannend und abwechslungsreich macht.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Fronleichnamsprozession“ des Autors Georg Heym. Im Jahr 1887 wurde Heym in Hirschberg geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1911. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Expressionismus zugeordnet werden. Bei Heym handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 297 Wörter. Es baut sich aus 11 Strophen auf und besteht aus 44 Versen. Die Gedichte „Columbus“, „Das Fieberspital“ und „Der Abend“ sind weitere Werke des Autors Georg Heym. Zum Autor des Gedichtes „Fronleichnamsprozession“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 79 Gedichte vor.
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