Der Schiffer und sein Sohn auf der Höhe der Insel St. Helena, im Jahre 2815 von Franz Grillparzer

1	1
2	Siehst du dort an des Horizontes Saum,
3	Wo sich die Wolken zu den Wellen neigen,
4	Hoch in dem blauen, ewig heitern Raum
5	Die schroffgetürmten Felsenmassen steigen?
6	Sieh hin, mein Sohn, und merke mirs genau!
7	Der Fels, der dort sich hebt im Wolkenblau,
8	Ist würdiger, vom Aug geschaut zu werden,
9	Als jeder andre Raum auf dieser Erden!
10	Auf dieses öde, meerumtobte Land
11	Ward in der Väter Zeit vor grauen Jahren
12	Ein mächtger, weitberühmter Mann verbannt,
13	Von allen, die jetzt sind und die je waren,
14	Und die je kommen werden auch vielleicht,
15	Im Großen, wie im Schlimmen unerreicht,
16	Ein Mann, wie ihn seit ihrer Schöpfung Tagen
17	Die Welt, zum Glück, ein einzigmal getragen!
18	Von der Natur mit reicher Hand geschmückt,
19	Trug er, obschon aus niederm Stamm entsprossen,
20	Der Herrschaft Siegel auf die Stirn gedrückt,
21	War er der erste unter den Genossen.
22	Der erste! - Dahin triebs ihn sonder Rast,
23	Und da hat der Versucher ihn gefaßt,
24	Dies ungezähmte, schrankenlose Streben
25	Hat ihn dem Teufel in die Hand gegeben.
26	Dem Teufel, der in jeden Busen dringt,
27	Dem nach der Besten Fall am meisten lüstert,
28	Des Stimme gar so sanft und lieblich klingt,
29	Wenn er der Hölle Schmeichelworte flüstert:
30	»Auf, Starker, auf! was soll dir alter Brauch,
31	Sei mutig! was du kannst, das darfst du auch!
32	Seis, daß dein Tun des Pöbels Wahn verletze,
33	Für deinesgleichen gibts keine Gesetze!«
34	Er lieh sein Ohr dem falschen Zungenspiel,
35	Entzügelte die strebenden Gedanken!
36	Weh ihm! - Der wählet sich kein festes Ziel,
37	Den Ruhm- und Ehrsucht führet in die Schranken.
38	Der Läufer rennt, allein sein Ziel rennt mit,
39	Und hält, so sehr er eilt, stets gleichen Schritt,
40	Und kömmt er auf den Platz, wo ers zuerst gesehen,
41	So sieht ers gleichweit in der Ferne wehen.
42	...
43	2
44	Hier endete des Übermütgen Lauf,
45	Hier fand den Allbesieger sein Bezwinger.
46	Der Fels, er zeigt zu Himmelshöhn hinauf,
47	Gleich einem ausgestreckten Riesenfinger,
48	Zum Urquell aller Größe, aller Macht,
49	Der über Hoh und Nieder waltend wacht,
50	Und dieser Wellen Murmeln scheinet dumpf zu sprechen,
51	Es ist ein Gott! Er strafet das Verbrechen!

Details zum Gedicht „Der Schiffer und sein Sohn auf der Höhe der Insel St. Helena, im Jahre 2815“

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Schiffer und sein Sohn auf der Höhe der Insel St. Helena, im Jahre 2815“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Franz Grillparzer. Im Jahr 1791 wurde Grillparzer in Wien geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1807 und 1872. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Biedermeier oder Realismus zu. Der Schriftsteller Grillparzer ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 51 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 339 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Franz Grillparzer sind „Am Hügel“, „Am Morgen nach einem Sturm“ und „An einen Freund“. Zum Autor des Gedichtes „Der Schiffer und sein Sohn auf der Höhe der Insel St. Helena, im Jahre 2815“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 300 Gedichte vor.

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Franz Grillparzer

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Franz Grillparzer und seinem Gedicht „Der Schiffer und sein Sohn auf der Höhe der Insel St. Helena, im Jahre 2815“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

• Werfel, Franz: Eine blaßblaue Frauenschrift

Weitere Gedichte des Autors Franz Grillparzer (Infos zum Autor)

• Abschied
• Abschied von Gastein
• Am Hügel
• Am Morgen nach einem Sturm
• An einen Freund
• Beethoven
• Der Wunderbrunnen
• Entsagung
• Vorzeichen
• Werbung

Zum Autor Franz Grillparzer sind auf abi-pur.de 300 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.