Freund Lenz von Georg Weerth
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Aus fernen Wolken braust ein dumpfer Ton. |
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Die Donner sind es, so der Welt verkünden, |
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Daß wieder der Natur geliebter Sohn, |
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Der Frühling, wandelt zu der Erde Gründen. |
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Bei andern Völkern hat er lang geweilt, |
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Da war’s, daß jüngst die Kunde ihn ereilt, |
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Wir, hier im Norden trügen heiß Verlangen, |
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Aufs Neu zu schauen seiner Blüthe Prangen. |
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Er kommt. Und aus des Südens frohen Thalen, |
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Wo träumend er im Lorbeerwalde lag; |
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Wo er zum Fest bei glutgefüllten Schalen |
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Des Myrthenhaines vollste Kränze brach; |
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Wo mit dem Zephyr er die Wangen kühlte |
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Und buhlerisch in schwarzen Locken wühlte – |
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Fern aus dem Süden hat er alle Pracht |
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Herauf jetzt in den Norden uns gebracht. |
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Er setzt sich lächelnd auf die Hügel hin – |
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Da weht ein Duften rings durch Fels und Auen; |
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Zum Forste lustig Falk und Taube zieh’n |
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Und Knospen röthlich aus den Gärten schauen. |
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Der Bäche Lauf schmückt er mit lichtem Sammt; |
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Es blitzt der Thau, hellauf die Sonne flammt – |
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Und nieder steigt er von den Hügelthronen |
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Hinab zum Thale, wo die Menschen wohnen |
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Mit ihrer Lust, mit ihrem bittern Leid, |
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Mit ihren Freuden, ach, und ihren Thränen; |
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Mit all dem Ringen, all dem herben Streit; |
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Mit all dem Hoffen, all dem stillen Sehnen. |
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Er ist’s, der in des Armen Hütte schaut, |
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Der zu ihm spricht, wenn kaum der Morgen graut: |
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„Getrost, wie deine Freuden auch zerstieben, |
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Dir Armen ist der Lenz noch treu geblieben!“ |
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„Hinaus! durch meine Blumen sollst du schreiten, |
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Ich labe dich mit meiner Wälder Grün; |
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Durch Busch und Wiese will ich dich geleiten |
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Den Berg hinan, wo meine Rosen glüh’n. |
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Ich zeige dir, wie nieder zu den Flächen |
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Befreit die Ströme ihre Bahnen brechen, |
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Und wie der Nacht erblüht der Sterne Schein, |
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Zieh’ ich, der Lenz, in deine Seele ein!“ |
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„Ich küsse deiner Kinder müde Stirnen, |
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Ob all’ ihr Glanz verloschen und verstaubt; |
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Ich will gleich der Lawine von den Firnen |
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Wälzen den Gram von ihrer Mutter Haupt. |
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Und Feuer menge ich mit deinem Blute, |
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Daß bald die Hand, die nur am Pfluge ruhte, |
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Zum Schwerte greift und ringend im Gefecht |
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Von Schmach befreit ein unterdrückt Geschlecht!“ |
Details zum Gedicht „Freund Lenz“
Georg Weerth
6
48
354
nach 1838
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Freund Lenz“ wurde von Georg Weerth verfasst, einem bedeutenden Vertreter des Vormärz und des literarischen Realismus in Deutschland, der von 1822 bis 1856 lebte.
Beim ersten Eindruck bemerkt man eine gewisse Personifizierung und Verherrlichung des Frühlings („Lenz“), die in der romantischen Literatur üblich ist. Dies wird jedoch im Laufe des Gedichts verwendet, um gesellschaftliche und politische Themen anzusprechen.
Das lyrische Ich beginnt mit der Beschreibung des Erwachens des Frühlings, der als Gruß von Donner und einer Ankündigung der Natur selbst dargestellt wird (Strophe 1). Der Frühling kommt aus dem Süden, wo er sich zuvor ausgeruht hatte (Strophe 2). Er bringt Freude und Schönheit in die Natur (Strophe 3). Dann wendet sich das Gedicht den Menschen zu - das lyrische Ich spricht von ihrer Freude, ihrem Leid und ihrem Streit (Strophe 4). Der Frühling, personifiziert, tröstet die Armen und verspricht den Unterdrückten Hoffnung und Befreiung (Strophe 5-6).
Die Aussage des lyrischen Ichs könnte eine metaphorische Darstellung der revolutionären Ideen und Bestrebungen der Zeit sein, in der Weerth lebte. Der Frühling, traditionell ein Symbol für Wiederbelebung und Neuanfang, wird hier zum Symbol für eine soziale Revolution, die den Unterdrückten Hoffnung und Befreiung bringt.
In Bezug auf die Form besteht das Gedicht aus sechs gleich strukturierten Strophen mit jeweils acht Versen. Die Sprache des Gedichts ist reich und malerisch, voller ausdrucksvoller Bilder und Metaphern, die eine lebhafte Vorstellung der beschriebenen Szenen wecken. Die Wortwahl und der rhetorische Stil spiegeln die Leidenschaft und das Engagement wider, die hinter den Ideen des Autors stehen. Dennoch ist die Sprache des Gedichts klar und verständlich, was darauf hinweist, dass der Autor seine Botschaft so vielen Menschen wie möglich kommunizieren möchte.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Freund Lenz“ des Autors Georg Weerth. 1822 wurde Weerth in Detmold geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1838 und 1856. Erscheinungsort des Textes ist Zürich. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Bei dem Schriftsteller Weerth handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 354 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Georg Weerth sind „Die Industrie.“, „Die hundert Männer von Haswell.“ und „Die rheinischen Weinbauern.“. Zum Autor des Gedichtes „Freund Lenz“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 12 Gedichte vor.
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Weitere Gedichte des Autors Georg Weerth (Infos zum Autor)
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- Der Kanonengießer.
- Der alte Wirth in Lancashire
- Die Industrie.
- Die hundert Männer von Haswell.
- Die rheinischen Weinbauern.
- Erst achtzehn Jahr
- Gebet eines Irländers
- Herüber zog eine schwarze Nacht
- Sie saßen auf den Bänken
Zum Autor Georg Weerth sind auf abi-pur.de 12 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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