Der Bann von Franz Grillparzer

Leb wohl, Geliebte, ich muß scheiden,
Es treibt mich fort in Angst und Qual,
Fort von der Wohnstatt meiner Freuden,
Fort von dem Weibe meiner Wahl.
 
Nicht dieser Blick und diese Zähren!
Verbirg dein holdes Angesicht!
Du kannst das Scheiden mir erschweren,
Doch mir ersparen kannst dus nicht.
 
Denn wisse, wenn du mich umschlungen,
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Umschlangst du keinen freien Mann,
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Der Abgott deiner Huldigungen,
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Er ist belegt mit Acht und Bann.
 
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Der Fürstin, der die Welt zu eigen,
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Der alles huldigt, was da lebt,
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Vor der sich alle Wesen beugen,
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Hab ich im Wahnsinn widerstrebt;
 
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Mit ihrer Schwester, sinnverwirret,
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Die ohne Heimat, ohne Haus,
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Durch Erd und Luft und Wellen irret,
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Zog ich in wilder Jagd hinaus.
 
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Im Mondenglanz, auf flüchtgem Fuße,
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Schlang ich mit ihr den Geisterreihn,
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Und alles Wirklichen Genusse
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Entsagt ich um den holden Schein.
 
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Da sprach die Fürstin zornentglommen,
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»Verschmähst du so, was ich dir bot,
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So seis auf immer dir genommen,
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Du vogelfrei bis an den Tod.
 
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Von Wunsch zu Wunsch in ewger Kette
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Und rastlos wie du bist, so bleib,
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Dir sei kein Haus und keine Stätte,
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Kein Freund, kein Bruder und kein Weib;
 
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Ein Büttel aber beigegeben,
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Mit dir, in dir, laß er dich nie,
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Der peitsche rastlos dich durchs Leben,
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Der wilde Dämon Phantasie.
 
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Er heiße dich nach allem fassen,
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Was irdisch schön, mit raschem Geiz,
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Doch hältst dus, müssest du es hassen
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Und Mängel sieh in jedem Reiz;
 
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Verdammet Schatten nachzujagen,
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Buhl doch um Augenblickes Kuß,
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Es fehle Kraft dir zum Entsagen
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Und Selbstbegrenzung zum Genuß.
 
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Die Sprache will ich dir verwandeln,
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Dein Hörer sei der Mißverstand,
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Mißlingen sei mit deinem Handeln,
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Entzweit auf immer Kopf und Hand;
 
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Die dich liebt, flieh! die du begehret,
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Sie schaudere zurück vor dir!
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Und sagt sie: ja, hat sie gewähret,
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So töt ihr Ja dir die Begier.
 
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Und daß der letzte Trost versaget,
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Verewigt Rache sei und Leid,
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So zweifle der, dem dus geklaget,
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An deines Leidens Wirklichkeit!
 
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Zieh hin um all dein Glück betrogen,
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Und buhl um meiner Schwester Gunst,
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Sieh, was das Leben dir entzogen,
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Ob dirs ersetzen kann die Kunst.«
 
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Da fiels mich an mit Nachtgewalten,
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Und Wahrheit war es, was sie sprach,
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Das Herz im Busen mir gespalten
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Und jener innre Dränger wach.
 
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Seitdem irr ich verbannt, alleine,
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Betrüge andre so wie mich:
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Du aber, armes Weib, beweine,
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Den du verloren ewiglich.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29.4 KB)

Details zum Gedicht „Der Bann“

Anzahl Strophen
17
Anzahl Verse
68
Anzahl Wörter
391
Entstehungsjahr
1791 - 1872
Epoche
Biedermeier,
Realismus

Gedicht-Analyse

Franz Grillparzer ist der Autor des Gedichtes „Der Bann“. 1791 wurde Grillparzer in Wien geboren. In der Zeit von 1807 bis 1872 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Biedermeier oder Realismus zuordnen. Der Schriftsteller Grillparzer ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 68 Versen mit insgesamt 17 Strophen und umfasst dabei 391 Worte. Die Gedichte „Beethoven“, „Der Wunderbrunnen“ und „Entsagung“ sind weitere Werke des Autors Franz Grillparzer. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Bann“ weitere 300 Gedichte vor.

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