Der Selbstmörder von Franz Grillparzer

Er kam zurück nach Hause vom langgedehnten Gang,
Mit Absicht ausgedehnet bis Sonnenuntergang.
Gebüsch hatt er durchdrungen, wo rings kein Mensch sich zeigt,
Am Fluß war er gestanden, das Haupt hinabgeneigt.
Und wie die Wellen liefen, so lief sein Auge mit,
Des Menschen Los begrübelnd, des Glückes flüchtgen Schritt.
Ha, dacht er, käm doch einer und stieße mich hinein,
Rasch, unversehn von rückwärts, mir sollte wohler sein.
Ja, einmal hob sein Fuß sich, doch trat er schnell zurück,
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Denn er, der Allbelaurer, sah übrall Lauscherblick.
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Auch schien das All zu rufen, der Grund, der Baum, der Wald:
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Wo wir stehn, da fällt niemand, als zwingender Gewalt.
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So war er lang gewandelt, durch Staub, im Sonneglühn,
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Der Mittag ohne Nahrung ging unbeachtet hin;
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Erst als die Nacht gekommen mit ihren Tropfen Taus,
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Da drückt durch enge Gassen er schlotternd sich nach Haus.
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Die Stiege ist erklommen, sein alter Diener tritt,
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Ihm öffnend, auf die Schwelle, er kennt des Herren Schritt,
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Ein Licht hält er erhoben, das bebt ihm in der Hand
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Sieht er den Eingetretnen, bleich wie die blasse Wand.
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Der auch verträgt den Blick nicht, der Kerze Strahlenstich,
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Macht auf die Zimmertüre und schließt sie hinter sich.
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Da steht er im Gemache von Abenddämmrung trüb
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Und findet alles wieder, wies früh beim Scheiden blieb.
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Ein Stuhl liegt hingeworfen, ein Kissen auf dem Grund,
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Der Hängeleuchter schadhaft gibt eitles Wüten kund,
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Ein kostbares Gemälde, von Alters Rost bedampft,
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Der reichen Wand entrissen und Löcher eingestampft,
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Das Schreibpult unverschlossen. Doch schloß ers gleich nicht ab,
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Es hält noch, was er morgens ihm zum Bewachen gab:
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Ein Dolch und zwei Pistolen, ein kleines Fläschchen Gift,
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Und dann ein Blatt, bekritzelt, er nennts Verteid'gungsschrift,
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An der er lang geschrieben und mag noch schreiben leicht,
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Weil, was er heut gebilligt, er morgen früh durchstreicht.
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Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Der Selbstmörder“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
35
Anzahl Wörter
299
Entstehungsjahr
1791 - 1872
Epoche
Biedermeier,
Realismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Der Selbstmörder“ ist Franz Grillparzer. Der Autor Franz Grillparzer wurde 1791 in Wien geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1807 bis 1872 entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Biedermeier oder Realismus zugeordnet werden. Bei Grillparzer handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das 299 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 35 Versen mit nur einer Strophe. Weitere bekannte Gedichte des Autors Franz Grillparzer sind „Abschied“, „Abschied von Gastein“ und „Am Hügel“. Zum Autor des Gedichtes „Der Selbstmörder“ haben wir auf abi-pur.de weitere 300 Gedichte veröffentlicht.

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