Franciscas Abendlied von Frank Wedekind

Weiß die Mutter doch so gut,
Wann die Äpfel reifen,
Und ihr eigen Fleisch und Blut
Will sie nicht begreifen!
 
Wenn ich nicht so trostlos wär’,
Ging’s mir wohl um Treue;
Kommt das Glück von Ungefähr,
Folgt ihm keine Reue.
 
Seht euch nur dies Leben an,
10 
Hühner, Enten, Gänse –
11 
Drüben schwingt der Schnittersmann
12 
Schon die blanke Sense.
 
13 
Baut’ ich auf den lieben Gott,
14 
Baut’ auf meine Karten,
15 
Ward’ bei Beiden mir zum Spott,
16 
Lernte fleißig warten!
 
17 
Zwanzig Sommer sind vorbei,
18 
Armes kurzes Leben –
19 
Hast nun einen süßen Mai
20 
Heimlich doch gegeben!
 
21 
Ist die Nacht nicht gar so still,
22 
Stiller wird’s am Tage;
23 
Weiß man einmal, was man will,
24 
Scheut man keine Plage.
 
25 
Mütterchen zergrübelt sich,
26 
Streicht die weißen Haare,
27 
Träumt so mancherlei für mich,
28 
Träumt sich nicht das Wahre.
 
29 
Schrecklich ist die Einsamkeit
30 
Nur auf Gottes Erden.
31 
Schön ist auch ein Glück zu Zweit,
32 
Will’s zu Dritt nicht werden.
 
33 
Kommen viele Jahre noch,
34 
Langes kaltes Sterben;
35 
Durft’ ein einzig Mal ich doch
36 
Um mein Schicksal werben!
 
37 
Not und Schande, Angst und Pein,
38 
Alles will ich tragen.
39 
Wird es nur kein Mägdelein,
40 
Will ich gar nicht klagen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Franciscas Abendlied“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
189
Entstehungsjahr
1905
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Der „Franciscas Abendlied“ stammt von dem deutschen Schriftsteller Frank Wedekind, der von 1864 bis 1918 lebte. Das Gedicht kann daher in die Epoche des Naturalismus und der Jahrhundertwende eingereiht werden, da zu dieser Zeit vor allem realistische Darstellungen des Lebens und sozialkritische Themen ein gängiges Motiv in der Literatur waren.

Betrachtet man das Gedicht sowie den Titel des Gedichts auf den ersten Blick, so wird deutlich, dass es sich um ein Abendlied handelt, das von einer Person mit den Namen Francisca vorgetragen wird. Es erscheint eher melancholisch und reflektierend.

Der Inhalt des Gedichts lässt sich so interpretieren, dass das lyrische Ich, Francisca, ihre Lebenssituation und die ihr zugefallenen Rollenerwartungen in Frage stellt. Sie gibt zum Ausdruck, dass sie nicht das erreichen konnte, was sie wollte und dass die Entscheidungen, die sie traf, nicht zu dem gewünschten Glück führten. Ihr Wunsch nach Unabhängigkeit und Bedeutung spiegelt sich darin wider, dass sie sich mit der Rolle, die ihr die Gesellschaft zugeordnet hat, nämlich die der Frau und der Mutter, nicht identifizieren kann.

In Bezug auf die Form und die Sprache des Gedichts ist es bemerkenswert, dass jede der zehn Strophen aus vier Versen besteht, wobei sich der Rhythmus und das Metrum durch das ganze Gedicht hinweg konsequent halten. Des Weiteren ist die Sprache klar und deutlich. Sie enthält keine komplizierten Metaphern oder sprachlichen Bilder. Die Metaphern, die aber verwendet werden, weisen auf das richtige Leben und die bestimmten Aspekte und Schwierigkeiten des Lebens hin, mit denen Francisca dealt.

Insgesamt kann gesagt werden, dass „Franciscas Abendlied“ ein starkes Beispiel für die Literatur der Jahrhundertwende ist, welches die Rolle und die Erwartungen, die an Frauen gestellt wurden, in Frage stellt und kritisiert. Der Wunsch des lyrischen Ichs, eine andere Rolle einzunehmen und ihr eigenes Schicksal zu steuern, ist ein klares Zeichen für das Streben nach individueller Freiheit und Selbstbestimmung.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Franciscas Abendlied“ ist Frank Wedekind. Geboren wurde Wedekind im Jahr 1864 in Hannover. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1905. Der Erscheinungsort ist München. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Der Schriftsteller Wedekind ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 189 Worte. Der Dichter Frank Wedekind ist auch der Autor für Gedichte wie „Abschied“, „Abschied“ und „Albumblatt“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Franciscas Abendlied“ weitere 114 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Frank Wedekind

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Frank Wedekind und seinem Gedicht „Franciscas Abendlied“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Frank Wedekind (Infos zum Autor)

Zum Autor Frank Wedekind sind auf abi-pur.de 114 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.