Fragen an eine Arbeiterfrau von Kurt Tucholsky

Bist du sein guter Kamerad
und stehst an seiner Seite –?
Und bist du ihm auf jedem Pfad
im Kampf mit diesem Klassenstaat
Gesellschaft und Geleite –?
 
Hat er die Frau, die ihn versteht?
Ist euch ein Lied erklungen?
Und weißt du auch, warum er spät
noch abends in Versammlung geht:
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für dich und deinen Jungen –?
 
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Und ist dein Herz denn auch dabei?
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Seid ihr die richtige Zweiheit?
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Und machst nicht nur die Kocherei?
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und tust auch was für die Partei?
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Für Licht und Luft und Freiheit –?
 
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Und hilfst du ihm auch für und für
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im Wirken und im Schaffen?
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Und bildest du dich nach Gebühr?
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und stehst nicht an der Kirchentür?
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und hörst auf keinen Pfaffen –?
 
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Und hältst du ihn auch nicht zurück,
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wenn rote Fahnen rufen –?
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Er kämpft für euer Lebensglück!
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Geh mit ein Stück! Geh mit ein Stück!
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Empor zu neuen Stufen –!
 
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Du, Mutter, halt den Alten jung!
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es kann ihm gar nichts schaden.
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Du, Frau, trägst viel Verantwortung.
 
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Und hoch ertönt im neuen Schwung
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das Lied – das Lied
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vom guten Kameraden –!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.1 KB)

Details zum Gedicht „Fragen an eine Arbeiterfrau“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
31
Anzahl Wörter
173
Entstehungsjahr
1929
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Fragen an eine Arbeiterfrau“ ist von Kurt Tucholsky, einem bekannten deutschen Journalisten und Schriftsteller. Er lebte von 1890 bis 1935, was das Gedicht zeitlich in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts einordnet, eine Zeit geprägt von politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen.

Das Gedicht vermittelt direkt einen starken politischen Eindruck, als es Fragen an eine Arbeiterfrau stellt und ihre Beziehung zu ihrem Partner, ihrer Familie und ihrer politischen Beteiligung beleuchtet. Tucholsky stellt hier das Ideal einer politisch engagierten Arbeiterfrau dar, die sowohl in der Familie als auch in der Gesellschaft aktiv und gleichberechtigt agiert.

Inhaltlich stellt das lyrische Ich zuerst Fragen in Bezug auf die Beziehung der Arbeiterfrau zu ihrem Partner (Verse 1-5), dann zu ihrem Verständnis von seiner politischen Beteiligung (Verse 6-10), bevor es die persönliche politische Beteiligung der Frau hinterfragt (Verse 11-15 und 16-20). Die letzten Strophen (Verse 21-31) mobilisieren die Frau dann für den politischen Kampf und betonen ihre Bedeutung und Verantwortung.

Bei der Analyse der Form und Sprache fällt auf, dass das Gedicht in sieben Strophen mit variabler Verszahl (zwischen drei und fünf) und durchgehendem vierhebigen Jambus strukturiert ist. Die gleiche Anzahl und rhythmische Anordnung der Silben verleiht dem Text eine stabile und eingängige Struktur. Es wird eine einfache, verständliche Sprache verwendet, die sich genau an die Interessen und Verständnisse einer Arbeiterschicht richtet.

Die Aussage des Gedichts wird durch die Form und Sprache verstärkt: Die Arbeiterfrau ist nicht nur eine passive Beobachterin, sondern soll aktiv am gesellschaftlichen und politischen Leben teilnehmen. Hier bringt Tucholsky seine Überzeugung zum Ausdruck, dass die gesellschaftliche Beteiligung und politische Bildung aller Menschen, unabhängig von Geschlecht und Klasse, wesentlich für soziale Veränderungen und Fortschritte ist.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Fragen an eine Arbeiterfrau“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Kurt Tucholsky. Der Autor Kurt Tucholsky wurde 1890 in Berlin geboren. Im Jahr 1929 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zu. Tucholsky ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Wichtigen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik nahmen der Erste Weltkrieg und die daraufhin folgende Entstehung der Weimarer Republik. Neue Sachlichkeit ist eine Richtung der Literatur der Weimarer Republik. In den ihr zugerechneten Werken ist die zwischen den Weltkriegen hervortretende Tendenz zu illusionslos-nüchterner Darstellung von Gesellschaft, Erotik, Technik und Weltwirtschaftskrise deutlich erkennbar. Dies kann man als Reaktion auf den literarischen Expressionismus werten. Die Dichter orientierten sich an der Realität. Die Handlung wurde meist nur kühl und distanziert beobachtet. Man schrieb ein Minimum an Sprache, dafür hatte diese ein Maximum an Bedeutung. Es sollten so viele Menschen wie möglich mit den Texten erreicht werden, deshalb wurde eine einfache sowie nüchterne Alltagssprache verwendet. Viele Schriftsteller litten unter der Zensur in der Weimarer Republik. Im Jahr 1922 wurde nach einem Attentat auf den Reichsaußenminister das Republikschutzgesetz erlassen, das die zunächst verfassungsmäßig garantierte Freiheit von Wort und Schrift in der Weimarer Republik deutlich einschränkte. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die teils in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz verstärkte die Grenzen der Zensur nochmals. Später als die Pressenotverordnung im Jahr 1931 in Kraft trat, war sogar die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate möglich.

Als Exilliteratur wird die Literatur von Schriftstellern bezeichnet, die unfreiwillig Zuflucht im Ausland suchen müssen, weil ihre Person oder ihr Werk in ihrer Heimat bedroht sind. Für die Flucht ins Exil geben meist politische oder religiöse Gründe den Ausschlag. Die deutsche Exilliteratur entstand in den Jahren von 1933 bis 1945 als Literatur der Gegner des Nationalsozialismus. Dabei spielten insbesondere die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 und der deutsche Überfall auf die Nachbarstaaten 1938/39 eine ausschlaggebende Rolle. Die deutsche Exilliteratur schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an und bildet damit eine eigene Literaturepoche in der deutschen Literaturgeschichte. Themen wie Verlust der eigenen Kultur, existenzielle Probleme, Sehnsucht nach der Heimat oder Widerstand gegen das nationalsozialistische Deutschland sind typisch für diese Literaturepoche. Anders als andere Literaturepochen, die zum Beispiel bei der formalen Gestaltung (also in Sachen Metrum, Reimschema oder dem Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel) ganz charakteristische Merkmale aufweisen, ist die Exilliteratur nicht durch bestimmte formale Merkmale gekennzeichnet. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Epoche geboren wurden. Das epische Theater von Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Flugblätter und Radioreden der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten erwähnenswert. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.

Das vorliegende Gedicht umfasst 173 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 31 Versen. Kurt Tucholsky ist auch der Autor für Gedichte wie „An Lukianos“, „An Peter Panter“ und „An das Publikum“. Zum Autor des Gedichtes „Fragen an eine Arbeiterfrau“ haben wir auf abi-pur.de weitere 136 Gedichte veröffentlicht.

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