Fahrt ins Fextal von Karl Kraus

Als deine Sonne meinen Schnee beschien,
ein Sonntag wars im blauen Engadin.
 
Der Winter glühte und der Frost war heiß,
unendlich sprühten Funken aus dem Eis.
 
Knirschend ergab sich alle Gegenwart,
Licht tanzte zur Musik der Schlittenfahrt.
 
Wir fuhren jenseits aller Jahreszeit
irgendwohin in die Vergangenheit.
 
Was rauh begonnen war, verlief uns hold,
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ein Tag von Silber dankt dem Strahl von Gold.
 
11 
Der Zauber führt in ein versunknes Reich.
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Wie bettet Kindertraum das Leben weich!
 
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Voll alter Spiele ist das weiße Tal;
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die Berge sammeln wir wie Bergkristall.
 
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Trennt heut die Elemente keine Kluft?
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Ein Feuerfluß verbindet Erd’ und Luft.
 
17 
Wir leben anders. Wenns so weiter geht,
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ist dies hier schon der andere Planet!
 
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Ins Helle schwebend schwindet aller Raum.
20 
So schwerlos gleitet nach dem Tod der Traum.
 
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Nicht birgt die Zeit im Vorrat uns ein Weh.
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Bleicht sich das Haar, so gibt es guten Schnee.
 
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Uns wärmt der Winter. Leben ist ein Tag,
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da Silvaplanas Wind selbst ruhen mag.
 
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Nicht Ziel, nur Rast ist’s, die das Glück sich gab,
26 
hält einmal dieser Schlitten vor dem Grab.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.1 KB)

Details zum Gedicht „Fahrt ins Fextal“

Autor
Karl Kraus
Anzahl Strophen
13
Anzahl Verse
26
Anzahl Wörter
178
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Moderne,
Expressionismus,
Avantgarde / Dadaismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts „Fahrt ins Fextal“ ist Karl Kraus. Der aus der Zeit zwischen dem späten 19. Jahrhundert und dem frühen 20. Jahrhundert stammende Schriftsteller ist vor allem für seine scharfen sozial- und kulturkritischen Texte bekannt.

Beim ersten Lesen des Gedichts entsteht ein lyrisches Bild einer märchenhaften Winterlandschaft. Das Gedicht kann als eine Reise durch eine winterliche Landschaft interpretiert werden, bei der das lyrische Ich die Schönheit der Natur in ihrer winterlichen Pracht beschreibt.

Das Gedicht beginnt mit einer Beschreibung einer spezifischen Tageszeit in einer speziellen Jahreszeit - einem sonnigen Wintertag im Engadin. Es folgt eine allegorische Darstellung von Winter und Frost, die Gegensätze wie Kälte und Hitze, Dunkelheit und Licht miteinander verbindet. Die Reise führt das lyrische Ich „jenseits aller Jahreszeit irgendwohin in die Vergangenheit“. Es entsteht ein Gefühl der Zeitlosigkeit und Nostalgie. Der Schlitten, der durch die Landschaft fährt, ist ein wiederkehrendes Motiv, das das Weitergehen der Zeit symbolisiert.

In Bezug auf die Form, besteht das Gedicht aus 13 Strophen mit jeweils zwei Versen. Es ist kein Reimschema erkennbar, was eine freie Form des Gedichts darstellt. Die Sprache ist bildhaft und metaphorisch. Besonders auffällig ist die Verwendung antithetischer Elemente und Kontrastpaare wie „Schnee und Sonne“, „Winter und Glut“, „Frost und Hitze“, die helfen, die bildliche Darstellung zu intensivieren. Zudem sind die Zeilen mit verschiedenen stilistischen Mitteln wie Alliterationen (z.B. „Funken aus dem Eis“) und Metaphern (z.B. „ein Feuerfluss verbindet Erd’ und Luft“) durchzogen, die zur lyrischen Qualität des Gedichts beitragen.

Insgesamt handelt es sich bei „Fahrt ins Fextal“ um ein sehr stimmungsvolles Gedicht, das möglicherweise die Vergänglichkeit des Lebens und die Erinnerungen an vergangene Zeiten thematisiert. Die Schlittenfahrt könnte hier als Metapher für das Leben selbst gedeutet werden - eine Reise, die trotz aller Schönheit und Freude unausweichlich auf das Ende, den Tod, zusteuert.

Weitere Informationen

Karl Kraus ist der Autor des Gedichtes „Fahrt ins Fextal“. Der Autor Karl Kraus wurde 1874 in Jičín (WP), Böhmen geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1920. München ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das Gedicht besteht aus 26 Versen mit insgesamt 13 Strophen und umfasst dabei 178 Worte. Karl Kraus ist auch der Autor für Gedichte wie „Absage“, „Abschied und Wiederkehr“ und „Alle Vögel sind schon da“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Fahrt ins Fextal“ weitere 61 Gedichte vor.

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