Es schneit von Joachim Ringelnatz

Es schneit dicke Flocken,
Nicht warm aber frisch gebacken.
Die setzen sich in meine Dichterlocken.
In meinen Schiebernacken,
Auf meine Smoking-Socken.
 
Sie machen den Polizisten
Gemütlich zum Weihnachtsmann.
Da legen die Touristen
Ihre Polarausrüstung an.
 
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Wir wollen uns alle zusammentun,
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Um den Beschluss zu fassen:
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Es dürfen alle Sachsen von nun
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An nicht mehr ihr Land verlassen.
 
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Sie querten mit wilder Behaglichkeit
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Karlmayisch gedachte Fernen
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Und blieben Sachsen. Es wird für sie Zeit,
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Sich selbst erst mal kennenzulernen.
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Es schneit.
 
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Wenn hundert Leute sich einig sind,
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Dann fühlen sich die als Giganten
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Und schwafeln vor einem vernünftigen Kind
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Wie taube verwunschene Tanten.
 
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Es schneit. Wie in unserer Kinderzeit.
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Zum Wintersport eingeladen,
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Gehe ich schlafen. Es schneit. Es schneit.
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Es schneit für den Landmann Kuhfladen.
 
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Es schneit für die Zukunft Straßendreck.
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Auf Gräber schneit’s weiße Rosen.
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Doch es schneit Erbsensuppe mit Speck
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In die Taschen der Arbeitslosen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.8 KB)

Details zum Gedicht „Es schneit“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
147
Entstehungsjahr
1928
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Es schneit“ ist von Joachim Ringelnatz, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettist, der von 1883 bis 1934 lebte. Ringelnatz ist besonders für seine humorvollen und teilweise skurrilen Werke bekannt, die oft auf Satire und Wortspielen beruhen. Als moderne Dichtung ist dieses Gedicht in der Epoche der Weimarer Republik zu verorten, die von 1919 bis 1933 dauerte.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht fragmentiert und chaotisch. Es enthält mehrere lose Themen und Bilder, die auf den ersten Blick nicht miteinander verbunden zu sein scheinen. Einige Zeilen und Strophen scheinen humorvoll und fast absurd zu sein, während andere Anspielungen auf soziale und politische Themen enthalten.

Inhaltlich zeichnet das lyrische Ich ein gemischtes Bild vom Winter. Zum einen wird die Freude über das Schneien beschrieben - wie es in die Haare und auf die Kleidung fällt, wie es die Stimmung der Menschen zum Positiven verändert oder Erinnerungen an die Kindheit weckt. Andererseits zeigt sich auch eine kritische Betrachtung des Schnees als Metapher für die soziale Kälte und Unzufriedenheit.

Die unüblichen Metaphern und die Übertreibungen, wie beispielsweise dass der Schnee Erbsensuppe mit Speck in die Taschen der Arbeitslosen schneit, zeigen neben dem Humor des Autors auch seine Kritik am System. Es schneit zwar, aber nur für diejenigen, die sich die notwendige Ausrüstung leisten können oder gar nicht erst das Land verlassen müssen. Er kritisiert die Spaltung zwischen den sozialen Schichten, die in der Gesellschaft weniger deutlich sichtbar ist, im Schnee jedoch offensichtlich wird.

Das lyrische Ich stellt selbstsichere Gruppierungen infrage, die vor „vernünftigen Kindern“ „wie taube verwunschene Tanten“ schwafeln. Es könnte dies als Kritik an politischen Entscheidern und dem allgemeinen gesellschaftlichen Konsens sehen.

Das Gedicht ist in sieben ungleich lange Strophen unterteilt, die in freien Versen verfasst sind. Der Sprachstil ist im Ringelnatz-typischen Humor gehalten, doch durch die verschiedenen Ebenen der Bedeutung wirkt es dennoch komplex und tiefgründig.

Im Ganzen lässt sich sagen, dass „Es schneit“ ein humorvolles, aber auch nachdenklich stimmendes Gedicht ist, das den Leser dazu einlädt, über gesellschaftliche Normen und Ungleichheiten nachzudenken.

Weitere Informationen

Joachim Ringelnatz ist der Autor des Gedichtes „Es schneit“. Der Autor Joachim Ringelnatz wurde 1883 in Wurzen geboren. 1928 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Bei Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 147 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 30 Versen. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „7. August 1929“, „Abendgebet einer erkälteten Negerin“ und „Abermals in Zwickau“. Zum Autor des Gedichtes „Es schneit“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.

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