Es hatt’ ein Müller eine Mühl von Wilhelm Busch

Es hatt’ ein Müller eine Mühl
An einem Wasser kühle;
Da kamen hübscher Mädchen viel
Zu mahlen in der Mühle.
 
Ein armes Mädel war darunt,
Zählt sechzehn Jahre eben;
Allwo es ging, allwo es stund,
Der Müller stund daneben.
 
Er schenkt ein Ringlein ihr von Gold,
10 
Daß er in allen Ehren
11 
Sie ewig immer lieben wollt;
12 
Da ließ sie sich betören.
 
13 
Der Müller, der war falsch von Sinn:
14 
„Wenn ich mich tu vermählen,
15 
So will ich mir als Müllerin
16 
Wohl eine Reiche wählen.“
 
17 
Da ‘s arme Mädel das vernahm,
18 
Wird‘s blaß und immer blasser
19 
Und red‘t nit mehr und ging und kam
20 
Und sprang ins tiefe Wasser. –
 
21 
Der Müller kümmert sich nicht viel,
22 
Tät Hochzeitleut bestellen
23 
Und fährt mit Sang und Saitenspiel
24 
’ne andre zur Kapellen.
 
25 
Doch als man auf die Brücke kam,
26 
Fängt ‘s Wasser an zu wogen
27 
Und zischt und rauscht verwundersam
28 
Herauf bis an den Bogen.
 
29 
Die weiße Wassernixe stand
30 
Auf schaumgekrönter Welle;
31 
Sie hält in ihrer weißen Hand
32 
Von Gold ein Ringlein helle.
 
33 
Du Falscher, deine Zeit ist aus!
34 
Bereite dich geschwinde!
35 
Dich ruft hinab ins kalte Haus
36 
Die Mutter mit dem Kinde.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Es hatt’ ein Müller eine Mühl“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
189
Entstehungsjahr
nach 1848
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Es hatt’ ein Müller eine Mühl“ wurde von Wilhelm Busch verfasst. Busch lebte von 1832 bis 1908 und prägte das literarische Leben des 19. Jahrhunderts maßgeblich. Berühmt ist er vor allem für seine humoristischen und satirischen Zeichnungen und Geschichten, dieses Gedicht zeigt allerdings eine ernstere Seite seines Schaffens, da es eine tragische Liebesgeschichte erzählt.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht wie eine einfache Erzählung im Stil von traditionellen Volksballaden. Es handelt von einem Müller, der das Vertrauen eines unschuldigen jungen Mädchens ausnutzt und sie schließlich verlässt. Ihre Traurigkeit über den Verrat treibt sie in den Tod, und als der Müller sich daraufhin mit einer reicheren Frau verheiraten will, rächt sie sich aus dem Jenseits an ihm.

Im Detail erzählt das lyrische Ich zunächst von einem Müller, dessen Mühle von vielen Mädchen besucht wird, unter denen sich auch ein sechzehnjähriges armes Mädchen befindet. Der Müller betört das Mädchen mit einem goldenen Ring und Versprechungen ewiger Liebe. Allerdings stellt sich heraus, dass der Müller falsche Absichten hat und stattdessen eine reiche Frau heiraten möchte. Als das Mädchen davon erfährt, wirft sie sich aus Verzweiflung ins Wasser. Der Müller scheint davon unbeeindruckt und plant weiter seine Hochzeit. Doch auf dem Weg zur Kirche begegnet ihm die Rache des Mädchens in Gestalt einer Wassernixe.

Das Gedicht ist in Strophenform mit jeweils vierzeiligen Versen gehalten und folgt in seiner Struktur dem für die Ballade typischen Handlungsablauf mit Exposition, Protagonisten, Handlung, Höhepunkt, Katastrophe und Ausklang. Die Sprache benutzt sprachliche Mittel, wie Raab-Doppel-R und einfache, beschreibende Sprache, die dem Volkstümlichen von Busch’ Arbeiten entspricht. Es verwendet eine klare, schnörkellose Sprache mit direkter Ansprache und lebendigen Bildern, die es für eine breite Leserschaft zugänglich machen.

In ihrer Gesamtheit kann diese balladenartige Geschichte somit als Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen, hier representiert durch die Ausbeutung von Armut und Unschuld durch Reichtum und Falschheit verstanden werden. Interessant ist auch die Rolle des Mädchens, das zunächst als unschuldiges Opfer erscheint, aber schließlich zu einer mächtigen Rächerin wird. Dies könnte als eine Art feministischer Kommentar interpretiert werden, der darauf hinweist, dass Frauen trotz ihrer Benachteiligung in der patriarchalischen Gesellschaft nicht machtlos sind.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Es hatt’ ein Müller eine Mühl“ des Autors Wilhelm Busch. Busch wurde im Jahr 1832 in Wiedensahl geboren. Zwischen den Jahren 1848 und 1908 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Wiesbaden u. Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zu. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 189 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Wilhelm Busch sind „Als er noch krause Locken trug“, „Also hat es dir gefallen“ und „Auf Wiedersehn“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Es hatt’ ein Müller eine Mühl“ weitere 208 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Wilhelm Busch

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Wilhelm Busch und seinem Gedicht „Es hatt’ ein Müller eine Mühl“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Wilhelm Busch (Infos zum Autor)

Zum Autor Wilhelm Busch sind auf abi-pur.de 208 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.