Hermann und Dorothea von Johann Wolfgang von Goethe

Also das wäre Verbrechen, daß einst Properz mich begeistert,
Daß Martial sich zu mir auch, der verwegne, gesellt?
Daß ich die Alten nicht hinter mir ließ, die Schule zu hüten,
Daß sie nach Latium gern mir in das Leben gefolgt?
Daß ich Natur und Kunst zu schaun mich treulich bestrebe,
Daß kein Name mich täuscht, daß mich kein Dogma beschränkt?
Daß nicht des Lebens bedingender Drang mich, den Menschen, verändert,
Daß ich der Heuchelei dürftige Maske verschmäht?
Solcher Fehler, die du, o Muse, so emsig gepfleget,
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Zeihet der Pöbel mich; Pöbel nur sieht er in mir.
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Ja, sogar der Bessere selbst, gutmütig und bieder,
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Will mich anders; doch du, Muse, befiehlst mir allein.
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Denn du bist es allein, die noch mir die innere Jugend
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Frisch erneuest und sie mir bis zu Ende versprichst.
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Aber verdopple nunmehr, o Göttin, die heilige Sorgfalt!
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Ach! die Scheitel umwallt reichlich die Locke nicht mehr:
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Da bedarf man der Kränze, sich selbst und andre zu täuschen;
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Kränzte doch Cäsar selbst nur aus Bedürfnis das Haupt.
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Hast du ein Lorbeerreis mir bestimmt, so laß es am Zweige
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Weiter grünen, und gib einst es dem Würdigern hin;
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Aber Rosen winde genug zum häuslichen Kranze;
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Bald als Lilie schlingt silberne Locke sich durch.
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Schüre die Gattin das Feuer, auf reinlichem Herde zu kochen!
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Werfe der Knabe das Reis, spielend, geschäftig dazu!
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Laß im Becher nicht fehlen den Wein! Gesprächige Freunde,
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Gleichgesinnte, herein! Kränze, sie warten auf euch.
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Erst die Gesundheit des Mannes, der, endlich vom Namen Homeros
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Kühn uns befreiend, uns auch ruft in die vollere Bahn.
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Denn wer wagte mit Göttern den Kampf? und wer mit dem Einen?
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Doch Homeride zu sein, auch nur als letzter, ist schön.
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Darum höret das neuste Gedicht! Noch einmal getrunken!
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Euch besteche der Wein, Freundschaft und Liebe das Ohr.
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Deutschen selber führ ich euch zu, in die stillere Wohnung,
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Wo sich, nah der Natur, menschlich der Mensch noch erzieht.
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Uns begleite des Dichters Geist, der seine Luise
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Rasch dem würdigen Freund, uns zu entzücken, verband.
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Auch die traurigen Bilder der Zeit, sie führ ich vorüber;
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Aber es siege der Mut in dem gesunden Geschlecht.
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Hab ich euch Tränen ins Auge gelockt und Lust in die Seele
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Singend geflößt, so kommt, drücket mich herzlich ans Herz!
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Weise denn sei das Gespräch ! Uns lehret Weisheit am Ende
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Das Jahrhundert; wen hat das Geschick nicht geprüft?
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Blicket heiterer nun auf jene Schmerzen zurücke,
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Wenn euch ein fröhlicher Sinn manches entbehrlich erklärt.
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Menschen lernten wir kennen und Nationen; so laßt uns,
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Unser eigenes Herz kennend, uns dessen erfreun.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29 KB)

Details zum Gedicht „Hermann und Dorothea“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
46
Anzahl Wörter
423
Entstehungsjahr
1749 - 1832
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Hermann und Dorothea“ ist Johann Wolfgang von Goethe. Im Jahr 1749 wurde Goethe in Frankfurt am Main geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1765 und 1832. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Zwischen den Literaturepochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren von 1765 bis 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Zeitgenössische Genieperiode oder Geniezeit sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Protest- und Jugendbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung. Die Vertreter waren zumeist Schriftsteller jüngeren Alters, meistens nicht älter als 30 Jahre. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde besonders darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Nachahmung und Idealisierung von Künstlern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Die Weimarer Klassik ist eine Epoche der deutschen Literaturgeschichte, die von zwei bedeutenden Dichtern geprägt wurde: Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Die Literaturepoche beginnt im Jahr 1786 mit Goethes Italienreise und endet im Jahr 1832 mit Goethes Tod. Es gibt aber auch zeitliche Eingrenzungen, die die gemeinsame Schaffenszeit der beiden befreundeten Dichter Goethe und Schiller von 1794 bis zu Schillers Tod 1805 als Weimarer Klassik festlegen. Wie der Name bereits verrät, liegen das literarische Zentrum und der Ausgangspunkt der Weimarer Klassik, die auch kurz Klassik genannt wird, in Weimar. Teilweise wird auch Jena als ein weiteres Zentrum der Literaturepoche angesehen. Der Begriff Humanität ist von zentraler Bedeutung für die Zeit der Weimarer Klassik. Die wichtigsten inhaltlichen Merkmale der Klassik sind: Selbstbestimmung, Harmonie, Menschlichkeit, Toleranz und die Schönheit. In der Lyrik haben die Autoren auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. So war beispielsweise die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders geschätzt. Darüber hinaus verwendeten die Dichter eine pathetische, gehobene Sprache. Schiller, Goethe, Herder und Wieland können als die Hauptvertreter der Weimarer Klassik genannt werden. Aber nur Goethe und Schiller motivierten und inspirierten einander durch eine intensive Zusammenarbeit und wechselseitige Kritik.

Das 423 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 46 Versen mit nur einer Strophe. Der Dichter Johann Wolfgang von Goethe ist auch der Autor für Gedichte wie „An Lida“, „An den Mond“ und „An den Schlaf“. Zum Autor des Gedichtes „Hermann und Dorothea“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1617 Gedichte vor.

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