Er hat als Jöhr von Klabund

Er hat als Jöhr von fuffzehn Jahren
mir einst am Wedding uffjetan.
Wir sind nach Köpenick jefahren
und sahen die Natur uns an.
Ick zog mir aus die rote Jacke.
Er hat für mich det Bier berappt,
doch nach neun Monaten, au Backe,
es hat jeschnappt, es hat jeschnappt.
 
Mein Emil is ne kesse Nummer,
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er hat schon manchen abgekehlt,
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doch fürcht’ er sich vor jedem Brummer,
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so jut is er, so zart beseelt.
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Mir is weiß Gott schon allens piepe,
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ick lag bei ihm im Bett – da trappt
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es uff der Treppe... der Polype...
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es hat jeschnappt, es hat jeschnappt ...
 
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Im Hof der ollen Zuchthausschenke
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steht blutbespritzt ein Podium,
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der dove Pastor macht Menkenke,
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man sieht sich noch im Kreise um.
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Im Mauereck blüht blauer Flieder,
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die Zunge klebt wie angepappt,
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da saust des Henkers Beil hernieder,
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es hat jeschnappt, es hat geschnappt ...
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Er hat als Jöhr“

Autor
Klabund
Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
144
Entstehungsjahr
1927
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Klabund, ein Pseudonym von Alfred Henschke. Klabund war ein deutscher Schriftsteller, Dichter und Dramatiker, der zur Zeit der Weimarer Republik aktiv war. Da Klabund von 1890 bis 1928 lebte, kann man dieses Gedicht zeitlich in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts einordnen.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht lebhaft und bildhaft, in einem volkstümlichen und umgangssprachlichen Dialekt verfasst, der für Berlin typisch ist. Dieser Dialekt trägt dazu bei, das Gedicht zugänglich und authentisch wirken zu lassen.

Inhaltlich erzählt das Gedicht eine Geschichte von einem jungen Mann (das lyrische Ich), der einer jungen Frau nachstellt. Die beiden fahren gemeinsam nach Köpenick, einem Stadtteil von Berlin, um die Natur zu genießen. Er bezahlt ihr Bier, aber nach neun Monaten hat „es“ „geschnappt“. Das „es“ wird hier mehrdeutig verwendet, könnte sowohl eine Verhaftung, als auch eine ungewollte Schwangerschaft bedeuten. Der Emil, der in der zweiten Strophe erwähnt wird, hat viele Personen „abgekehlt“, was möglicherweise andeutet, dass er ein Stricher oder Krimineller ist. Das lyrische Ich lag im Bett bei ihm, als sie „es“ auf der Treppe hörten - vielleicht die Polizei oder ein anderer Verfolger. In der letzten Strophe endet das Gedicht mit einer Hinrichtung auf einem blutbespritzen Podium, wobei auch hier das „es hat geschnappt“ zur Wiederholung kommt.

Formal gesehen ist das Gedicht in drei Strophen mit jeweils acht Versen unterteilt, wobei jeder Vers aus vier Hebungen besteht und sich dadurch ein vierhebiger Jambus ergibt. Dazu gibt es einen regelmäßigen Kreuzreim (abab).

Die Sprache des Gedichts ist stark vom Berliner Dialekt geprägt, was dem Gedicht eine erdige, realistische Note gibt. Der Dialekt und die volkstümliche Wortwahl stehen in starkem Kontrast zu den schweren Themen, die das Gedicht behandelt, darunter mögliche Kriminalität und Hinrichtung. Diese Elemente zeigen Klabunds Meisterschaft im Umgang mit Sprache, indem er sie benutzt, um lebendige Bilder zu erzeugen und eine spannende, mehrschichtige Geschichte zu erzählen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Er hat als Jöhr“ ist Klabund. Klabund wurde im Jahr 1890 in Crossen an der Oder geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1927. Der Erscheinungsort ist Berlin. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zuordnen. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 144 Worte. Der Dichter Klabund ist auch der Autor für Gedichte wie „Abschied der Mutter von ihrem Sohn“, „Ad notam“ und „Akim Akimitsch“. Zum Autor des Gedichtes „Er hat als Jöhr“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 139 Gedichte vor.

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