Epistel an Madame Unger in Berlin von Susanne von Bandemer

Wohl Dir! mir ewig werthes Weib!
Geneuß den holden Seelenfrieden,
Bey dem, was dir das Glück beschieden:
Er würzet jeden Zeitvertreib;
Erhöhet den Genuß, geust Balsam in die Wunde,
Die uns in einer bösen Stunde,
Die Göttinn des Geschicks voll schwarzer Laune schlug.
Mich leider! will sie nicht mehr hören:
Bald findt sich dies, bald das, um meine Ruh zu stören,
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Und nie spricht sie: Es ist genug. –
 
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Doch schwör’ ich dir, bey allen Musen:
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Genügsamkeit herrscht wahrlich mir im Busen;
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Und dieser Schatz gilt mehr als eines Nabobs Gut.
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Nur ach! mir fehlt gesundes Blut,
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Das warm und frisch sich von dem Herzen windet,
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Und keinen Krampf erzeugt. Wohl dem, der nicht empfindet,
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Wo Milz und Magen liegt, der ohne Seitenweh
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Und Gicht, vom Wirbel bis zum Zeh’
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Dem Fisch in seinem Elemente gleicht;
 
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Doch, wenn uns jeden Tag was neues quälet,
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Wenn uns – was weiß ichs selber? – fehlet;
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Wenn wir ein Vorgefühl in unsern Nerven spüren;
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(Dem Wetterglase gleich, das rasch bald steigt, bald fällt,
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Bald prophezeit: Heut wird es Keilen frieren,
 
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Bald: Morgen schwimmt die halbe Welt;)
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Wann wir jezt frösteln, und jezt glühn:
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Dann kömmt gewiß der böse Dämon Spleen
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Sehr ungalant, und fast uns bey den Ohren;
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Und frohe Laune geht verloren.
 
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In einer solchen herbstlich trüben Stunde,
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Sah ich auf diesem Erdenrunde
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Nicht der Pomona reichen Überfluß:
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Ich sah und fühlte nur, daß alles – welken muß,
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Und daß der Baum, dem man die Frucht geraubt,
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Der Baum, den Sturm und Frost entlaubt,
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Ein Bild des Todes ist.
 
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Verzeih den Phantasien,
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Die schnell entstehen, schnell entfliehen;
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Verzeih der Dichterinn, die Reim’ auf Reime häuft,
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Und immerfort nach andern Bildern greift.
 
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Zum Glück für dich fällt mir die Sage ein;
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Der Thorheit kürzeste soll auch die beste seyn.
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Drum will ich dieses Blatt so schnell als möglich schließen.
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Ich küsse dich; mein Karl und Julchen läst dich grüßen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.6 KB)

Details zum Gedicht „Epistel an Madame Unger in Berlin“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
44
Anzahl Wörter
312
Entstehungsjahr
1802
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Susanne von Bandemer, eine deutsche Dichterin, welche in der Zeitspanne von Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts und Anfang des 19. Jahrhunderts tätig war. Das Gedicht gehört daher zur Epoche der Aufklärung und Romantik.

Beim ersten Eindruck wirkt das Gedicht wie ein persönlicher Brief oder eine Nachricht an eine Freundin, deshalb der Titel „Epistel an Madame Unger in Berlin“. Es scheint, als ob das lyrische Ich seine Gefühle und Erfahrungen teilt.

Der Inhalt des Gedichts scheint eine Mischung aus Glück und Unmut, Beschwerden über Gesundheitsprobleme, Reflexionen über den Lauf des Lebens und der Zeit zu sein. Das lyrische Ich wünscht der adressierten Frau Glück und Frieden und spricht über den Wert der Zufriedenheit. Gleichzeitig klagt es über einen Mangel an guter Gesundheit und bezieht sich auf den unbeständigen Zustand des Lebens, sowohl in Bezug auf das Wetter als auch auf unsere Stimmungen. Es vergleicht einen Baum, von dem die Früchte genommen wurden und der von Sturm und Frost entlaubt wurde, mit dem Bild des Todes.

Der Form und Sprache des Gedichts nach zu urteilen verfolgt es keinen strikten Reim- oder Rhythmusplan. Das Gedicht ist eher eine Art Prosagedicht mit einer freien Versform. Die Sprache ist relativ einfach und direkt, mit gelegentlichen metaphorischen und bildlichen Beschreibungen. Es ist auch bemerkenswert, dass das Gedicht einen erkennbaren, persönlichen Ton hat, was wahrscheinlich durch die rhetorische Form eines Briefes verstärkt wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Epistel an Madame Unger in Berlin“ von Susanne von Bandemer ein nachdenklicher und persönlicher Ausdruck von Lebenserfahrungen, Stimmungen und Reflexionen ist, der sowohl die freudigen als auch die schwierigen Aspekten des Lebens erfasst. Die Verwendung von persönlicher Ansprache und Metaphern trägt zur Schaffung einer intimen und emotionalen Botschaft bei.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „Epistel an Madame Unger in Berlin“ ist Susanne von Bandemer. Im Jahr 1751 wurde Bandemer in Berlin geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1802 zurück. Der Erscheinungsort ist Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her lässt sich das Gedicht den Epochen Klassik oder Romantik zuordnen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 312 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 44 Versen. Susanne von Bandemer ist auch die Autorin für das Gedicht „An Frau Sophie von La Roche“, „An G * * * g“ und „An Herzberg“. Zur Autorin des Gedichtes „Epistel an Madame Unger in Berlin“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 86 Gedichte vor.

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