Epistel an * * * von Susanne von Bandemer

Freund! den ein guter Gott zum Trost mir zugesandt,
Als ich an der Verzweiflung Rand
Nur Schmerzen fühlte, die, von Furien erzeuget,
Mein Mund umsonst verschweiget. –
Ha, sahst du, Edler! nicht die Zähren glühend fließen,
Die mir der Liebe Hochverrath erpreßt?
Noch lange werd’ ich sie vergießen,
Da Freund und Freundinn mich verläßt,
Da selbst die heilig süße Bande,
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Die Herz an Herz geknüpft, zerreißt,
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Und – Menschheit, deinem Werth zur Schande –
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List und Betrug, durchdachte Klugheit, heißt.
 
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Warum ward mir allein das Loos bey diesem Herzen –
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Das in der Liebe nur sein beßres Daseyn fühlt –
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Daß es, verkannt, zerfleischt von namenlosen Schmerzen,
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Die schöne Truggestalt für echte Wahrheit hielt?
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Ach! lebt und webt ich nicht im Manne meiner Wahl?
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Sah ich nicht jede Tugend keimen, wachsen, blühen
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In seinem Herzen, nach dem Ideal
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Das ich mir selber schuf, den Knoten fest zu ziehen?
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Und schnell zerstört der Bosheit Natterngift
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Die schöne Schöpfung meiner Liebe.
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Beschämt entsag’ ich jetzt auf ewig ihrem Triebe,
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Da mich der Falschheit Schlangengeißel trifft.
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Sie ist’s nicht werth, was man hier Liebe nennet,
 
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Der Qualen, die ein treues Herz durchglüht;
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Der beßre Mensch allein verstehet, ehrt und kennet
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Die Himmlische, die uns der niedern Erd’ entzieht:
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Die uns – ach, über uns, und eine Welt erhebet;
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Nur den Geliebten denket, fühlt und sieht;
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Und in dem Urquell aller Liebe lebet,
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Wo Wahrheit ewig thront und jede Täuschung flieht.
 
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So sey’s. – Ein beßres Glück schenkt mir mein Genius – –
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Seit jenem schönen Augenblicke,
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Wo ich dich, Theurer! sah; und seligen Genuß
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Verspricht die Freundschaft mir. – O du, von dem Geschicke
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Mir zugeführter Freund!
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Komm zu mir mit dem Chor der holden Pierinnen,
 
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Den sanften Tugenden; verein’t
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Und froh umschwebt von allen Charitinnen,
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Die dich zu ihrem Freund und Liebling ausersehn!
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Und lehre mich, in süßen Göttertönen,
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Mich mit mir selber auszusöhnen.
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Dann ist die Welt mir wieder schön.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.5 KB)

Details zum Gedicht „Epistel an * * *“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
44
Anzahl Wörter
312
Entstehungsjahr
1802
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht wurde von Susanne von Bandemer geschrieben, einer deutschen Dichterin, die im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert lebte.

Auf den ersten Blick scheint es, dass das Gedicht sich in Zeilen von tiefem emotionalen Schmerz und Enttäuschung, aber auch in Hoffnung und Trost bewegt. Der Titel des Gedichts gibt uns den ersten Hinweis auf seine Form. Es handelt sich um eine Epistel, also einen Brief, den die Autorin an eine nicht näher benannte Person richtet.

Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich zunächst einen Zustand tiefster Verzweiflung. Es war das Opfer von Verrat und Betrug, möglicherweise in einer romantischen Beziehung, und fühlt tiefen Schmerz. Der Schmerz wird durch Metaphern wie „Furien erzeugt“, „glühende Tränen“, „Bosheit Natterngift“ und „Falschheit Schlangengeißel“ zum Ausdruck gebracht. Doch gegen Ende des Gedichts manifestiert sich eine Transformation durch die Kraft der Freundschaft und Kunst, gekennzeichnet durch den Wechsel des Tons und optimistischerer Metaphern.

Die Verwendung der direkten Anrede „Freund“ und Hinweise auf den „Mann meiner Wahl“ und „Liebe“ deuten darauf hin, dass der Verrat möglicherweise von einem Liebhaber oder Freund kam. Das lyrische Ich reflektiert auch über das Konzept der Liebe, das diese Art von Schmerz verursacht, und es hebt die Möglichkeit hervor, dass es getäuscht worden sein könnte durch seine idealisierte Vorstellung des Liebhabers.

In Bezug auf die Form ist das Gedicht in freien Versen geschrieben, was zu dieser Zeit ein relativ neues und experimentelles Format war. Auch die Sprache ist sehr bildhaft und emotional, mit einer starken Betonung auf Metaphern und Symbolik.

Die Entwicklung von tiefem Leid hin zu einer Art Erlösung durch Kunst und Freundschaft könnte gedeutet werden als eine Aussage über die Heilkraft von Emotionalität, Kreativität und menschlicher Verbindung. Es ermutigt dazu, selbst in den dunkelsten Zeiten Hoffnung zu hegen und sich auf menschliche Güte und Schönheit zu besinnen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Epistel an * * *“ der Autorin Susanne von Bandemer. Bandemer wurde im Jahr 1751 in Berlin geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1802 entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her lässt sich das Gedicht den Epochen Klassik oder Romantik zuordnen. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das 312 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Susanne von Bandemer ist auch die Autorin für das Gedicht „An Elisen“, „An Frau Sophie von La Roche“ und „An G * * * g“. Zur Autorin des Gedichtes „Epistel an * * *“ haben wir auf abi-pur.de weitere 86 Gedichte veröffentlicht.

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