Entrückung von Stefan George
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Ich fühle luft von anderem planeten. |
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Mir blassen durch das dunkel die gesichter |
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Die freundlich eben noch sich zu mir drehten. |
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Und bäum und wege die ich liebte fahlen |
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Dass ich sie kaum mehr kenne und Du lichter |
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Geliebter schatten – rufer meiner qualen – |
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Bist nun erloschen ganz in tiefern gluten |
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Um nach dem taumel streitenden getobes |
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Mit einem frommen schauer anzumuten. |
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Ich löse mich in tönen · kreisend · webend · |
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Ungründigen danks und unbenamten lobes |
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Dem grossen atem wunschlos mich ergebend. |
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Mich überfährt ein ungestümes wehen |
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Im rausch der weihe wo inbrünstige schreie |
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In staub geworfner beterinnen flehen: |
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Dann seh ich wie sich duftige nebel lüpfen |
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In einer sonnerfüllten klaren freie |
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Die nur umfängt auf fernsten bergesschlüpfen. |
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Der boden schüttert weiss und weich wie molke.. |
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Ich steige über schluchten ungeheuer · |
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Ich fühle wie ich über lezter wolke |
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In einem meer kristallnen glanzes schwimme – |
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Ich bin ein funke nur vom heiligen feuer |
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Ich bin ein dröhnen nur der heiligen stimme. |
Details zum Gedicht „Entrückung“
Stefan George
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157
1922
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Entrückung“ stammt von Stefan George, einem deutschen Lyriker des Symbolismus, der von 1868 bis 1933 lebte. Die Entstehungszeit des Gedichtes lässt sich konkreter auf das frühe 20. Jahrhundert, genauer auf das Jahr 1911, einordnen.
Auf den ersten Blick fällt die starke, bildreiche Sprache und die eher melancholische, eindringliche Stimmung des Gedichts auf. Die eigenwillige Groß- und Kleinschreibung sowie - insbesondere für heutige Leser*innen - ungewöhnliche Satzstrukturen können gleichzeitig irritieren und faszinieren.
Inhaltlich erleben wir durch das lyrische Ich eine Reihe von Empfindungen, die sich wie eine Reise lesen lassen. Am Anfang ist das Ich in einer vertrauten Umgebung, doch fühlt es sich zunehmend entfremdet. Der Wandel wird etwa durch das Verblassen bekannter Gesichter und Wege deutlich. Es scheint eine gewisse Sehnsucht, eine Unzufriedenheit oder ein Unbehagen in der bekannten Welt zu geben.
Das lyrische Ich scheint sich in eine Art ekstatischen Zustand zu begeben („Ich löse mich in tönen · kreisend · webend“). Es entsteht das Bild einer spirituellen oder mystischen Erfahrung, einer Art Transzendenz, die das Ich über das Irdische hinaushebt („Ich bin ein funke nur vom heiligen feuer, Ich bin ein dröhnen nur der heiligen stimme.“).
In Bezug auf die Form bleibt anzumerken, dass das Gedicht in acht Strophen unterteilt ist, jede davon enthält drei Verse. Es folgt keinem traditionellen Reimschema, was in der Epoche des Symbolismus üblich war, da die Dichter nach neuen, freieren Formen suchten.
In Bezug auf die Sprache fällt auf, dass sich George durch seine Wortwahl von den realistischen Dichtungen seiner Zeit abhebt und stattdessen eine symbolische, oft metaphorische Sprache verwendet. Auch die schon angesprochene Groß- und Kleinschreibung sowie die Interpunktion spiegeln einen individuellen Stil wider, der darauf abzielt, die Worte an sich und die vielschichtige, oft mehrdeutige Bedeutung hervorzuheben.
Insgesamt lässt sich das Gedicht also als Ausdruck persönlicher Empfindungen und einer spirituellen Suche interpretieren, die in der Entrückung vom Gewohnten und der Hingabe an das Unbekannte mündet. Hier manifestiert sich die zentrale Idee des Symbolismus, dass Kunst eine eigene, von der realen Welt losgelöste Erfahrung darstellt.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Entrückung“ ist Stefan George. Geboren wurde George im Jahr 1868 in Büdesheim bei Bingen am Rhein. 1922 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. George ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 157 Worte. Weitere Werke des Dichters Stefan George sind „Stadtufer“, „Suedlicher Strand: Bucht“ und „Wellen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Entrückung“ weitere 52 Gedichte vor.
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- Stadtufer
- Suedlicher Strand: Bucht
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- Traum und Tod
Zum Autor Stefan George sind auf abi-pur.de 52 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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