Enge Künstlerschaft von Joachim Ringelnatz

Sie wissen alle was, was sie nicht sagen,
Was sie nach ihrer Meinung vorwärtstrug.
Sie nützen ihren engen Weg und wagen
Nicht, wissen nichts vom freien Flug.
 
Als wär nicht Raum genug in Welt und Leben,
Wo alle echten Menschen Künstler sind.
Und wäre doch mit dem konträren Wind
Jedem ganz unerschöpflich viel gegeben.
 
Ihr Lachen schwitzt, ihr Stürmen ist ein Schleichen.
10 
Untereinander hocken sie vertraut
11 
Und tuscheln gegen Außenseiter laut,
12 
Derweil sie selber giftig sich vergleichen.
 
13 
Kristallisiert zum legitimen Grüppchen
14 
Wird ihr Charakter plötzlich fest bestimmt.
15 
Von ihren Idealen bleibt ein Süppchen,
16 
Darin ein Titel oder Goldnes schwimmt.
 
17 
Sie pochen all auf was, was gar nicht klingt,
18 
Obwohl es hohl ist. Dennoch nehmen
19 
Sie and’re auf, dich wieder nur bedingt,
20 
Die Kleinen oder Großen, doch Bequemen.
 
21 
Und könnte doch für sie und jedermann
22 
Alles so anders und so herrlich sein.
23 
Man kann – (Um Himmels willen: Nein!)
24 
Es gibt gar kein „Man kann“.
 
25 
Es gibt ein „Manko“, gibt ein „Mannequin“,
26 
Ein „Monkey“ – – aber das ist kein Dessin.
27 
Es furzt ein Ulk. Der Teufel lupft den Steert.
28 
Und mehr ist jene Gruppe gar nicht wert.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „Enge Künstlerschaft“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
185
Entstehungsjahr
1928
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht stammt von Joachim Ringelnatz, einem deutschen Schriftsteller und Künstler, der in der Frühperiode der Weimarer Republik wirkte. Somit lässt es sich zeitlich in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts einordnen.

Auf den ersten Blick sticht eine kritische Stimmung hervor, die sich durch das gesamte Gedicht zieht. Ringelnatz verwendet bittere Ironie, um eine Gruppe von Menschen zu beschreiben, die er als „enge Künstlerschaft“ bezeichnet.

In der ersten Strophe setzt das lyrische Ich ein Bild von Menschen vor, die vorgeben, mehr Wissen und Einsicht zu besitzen, als sie tatsächlich haben. Sie scheinen jedoch Angst zu haben, ihren gewohnten Pfad zu verlassen und die Freiheit des Unbekannten zu entdecken. Hier wird ein erstes Bild von Selbstzufriedenheit und Unwillen zur Veränderung gezeichnet.

Mit den folgenden Strophen erweitert das lyrische Ich das Bild dieser Menschen. Es stellt sie dar als verschlossene Gruppe, die nur diejenigen aufnehmen, die sich anpassen. Für diese Gruppe ist jeder, der außerhalb steht, ein Außenseiter. Sie scheinen gleichzeitig die Qualität ihres Handelns und ihrer Werke zu überschätzen (vgl. „Sie pochen all auf was, was gar nicht klingt“).

Im weiteren Verlauf werden diese Menschen als pedantisch und engstirnig beschrieben. Ihre Ideale scheinen ein „Süppchen“ zu sein, in dem ein „Titel oder Goldnes“ schwimmt, womit auf den Drang nach Anerkennung und Reichtum angespielt wird, der wichtiger zu sein scheint als die eigene künstlerische Integrität.

Die Form des Gedichts besteht aus sieben vierzeiligen Strophen, wobei die Verse unregelmäßig gereimt sind. Die Sprache ist bildhaft und symbolisch, oft ironisch und beißend und voller Anspielungen und Vergleiche. Dabei verwendet Ringelnatz eine klare, eher alltägliche Sprache und scheut auch vor vulgären Ausdrücken („Es furzt ein Ulk“) nicht zurück.

Insgesamt kritisiert Ringelnatz in „Enge Künstlerschaft“ das Verhalten bestimmter Kunstschaffender und nimmt ihre Inauthentizität und Oberflächlichkeit aufs Korn. Mit humorvollen und ironischen Wortspielereien konfrontiert er die Leserinnen und Leser mit der Scheinheiligkeit und Enge dieser 'Künstlerschaft'.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Enge Künstlerschaft“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. Ringelnatz wurde im Jahr 1883 in Wurzen geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1928. Der Erscheinungsort ist Berlin. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Bei Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 185 Worte. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Abendgebet einer erkälteten Negerin“, „Abermals in Zwickau“ und „Abgesehen von der Profitlüge“. Zum Autor des Gedichtes „Enge Künstlerschaft“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Joachim Ringelnatz

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Joachim Ringelnatz und seinem Gedicht „Enge Künstlerschaft“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz (Infos zum Autor)

Zum Autor Joachim Ringelnatz sind auf abi-pur.de 560 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.