Enfant Perdu von Heinrich Heine

Verlor’ner Posten in dem Freiheitskriege,
Hielt ich seit dreißig Jahren treulich aus.
Ich kämpfte ohne Hoffnung, daß ich siege,
Ich wußte, nie komm’ ich gesund nach Haus.
 
Ich wachte Tag und Nacht – Ich konnt’ nicht schlafen,
Wie in dem Lagerzelt der Freunde Schar –
(Auch hielt das laute Schnarchen dieser Braven
Mich wach, wenn ich ein Bischen schlummrig war).
 
In jenen Nächten hat Langweil’ ergriffen
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Mich oft, auch Furcht – (nur Narren fürchten nichts) –
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Sie zu verscheuchen, hab’ ich dann gepfiffen
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Die frechen Reime eines Spottgedichts.
 
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Ja, wachsam stand ich, das Gewehr im Arme,
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Und nahte irgend ein verdächt’ger Gauch,
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So schoß ich gut und jagt’ ihm eine warme,
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Brühwarme Kugel in den schnöden Bauch.
 
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Mitunter freilich mocht’ es sich ereignen,
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Daß solch ein schlechter Gauch gleichfalls sehr gut
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Zu schießen wußte – ach, ich kann’s nicht läugnen –
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Die Wunden klaffen – es verströmt mein Blut.
 
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Ein Posten ist vacant! – Die Wunden klaffen –
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Der Eine fällt, die Andern rücken nach –
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Doch fall’ ich unbesiegt, und meine Waffen
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Sind nicht gebrochen – Nur mein Herze brach.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Enfant Perdu“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
173
Entstehungsjahr
vor 1851
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Enfant Perdu“ stammt von Heinrich Heine, einem der bedeutendsten deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts. Eine zeitliche Einordnung ist schwer genauer zu ermitteln, jedoch kann man von einer Entstehungszeit im Kontext der politischen und sozialen Umwälzungen in Deutschland, für die Heine bekannt ist, ausgehen.

Aus dem ersten Eindruck ergibt sich das Bild eines harten und unvermeidlichen Kampfes. Die Darbietung von Wachsamkeit und Mut, gemischt mit einer gewissen Resignation, erzeugt eine traurige, melancholische Stimmung.

Inhaltlich geht es in „Enfant Perdu“ um den harten, lang andauernden und letztendlich vergeblichen Kampf des lyrischen Ichs für die Freiheit. Dabei wird deutlich, dass das Ich ohne Hoffnung und Ausblick kämpft – er weiß, dass er nie unversehrt nach Hause zurückkehren wird. Die Erwähnung des Wachehaltens, des Schlafmangels und des ständigen Abwehrens von Feinden verdeutlicht die harten Bedingungen, unter denen der Kampf stattfindet. In der letzten Strophe erklärt das Ich, dass es zwar besiegt sei, aber seine Waffen unbeschädigt seien – sein Herz jedoch sei gebrochen.

Die Form des Gedichts ist regelmäßig, mit jeweils vier Versen pro Strophe. Die Sprache ist recht klar und direct, dennoch kommt die metaphorische Bildsprache nicht zu kurz. So symbolisiert das Bild des „verlorenen Postens“ das ungewisse Schicksal des Kämpfers, während das „Gewehr im Arm“ das notwendige Defensivmittel darstellt. Die „warmen Kugel“ stellt einerseits die Gewalt und Gefahr des Kampfes dar, andererseits könnte sie auch eine Art von Mitleid mit dem getöteten Gegner ausdrücken.

Insgesamt könnte man interpretieren, dass Heine mit „Enfant Perdu“ seine Frustration und Hoffnungslosigkeit über die politische Situation im Deutschland seiner Zeit verdeutlichen will. Seine Darstellung des Kämpfens ohne Aussicht auf Sieg könnte eine Metapher für den damaligen Zustand der deutschen Gesellschaft und das Ringen um Liberalismus und nationale Einheit sein. Dabei macht er deutlich, dass dieser Kampf einen hohen, fast unerträglichen Preis fordert.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Enfant Perdu“ ist Heinrich Heine. Heine wurde im Jahr 1797 in Düsseldorf geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1851 zurück. Der Erscheinungsort ist Hamburg. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 173 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Der Dichter Heinrich Heine ist auch der Autor für Gedichte wie „Abenddämmerung“, „Ach, die Augen sind es wieder“ und „Ach, ich sehne mich nach Thränen“. Zum Autor des Gedichtes „Enfant Perdu“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 535 Gedichte vor.

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