Das Glück von Edenhall von Ludwig Uhland

Von Edenhall der Junge Lord
Läßt schmettern Festtrommetenschall;
Er hebt sich an des Tisches Bord
Und ruft in trunkner Säfte Schwall:
„Nun her mit dem Glücke von Edenhall!"
 
Der Schenk vernimmt ungern den Spruch,
Des Hauses ältester Vasall,
Nimmt zögernd aus dem seidnen Tuch
Das hohe Trinkglas von Kristall;
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Sie nennen's: das Glück von Edenhall.
 
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Darauf der Lord: „Dem Glas zum Preis
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Schenk Roten ein aus Portugal!"
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Mit Händezittern gießt der Greis,
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Und purpurn Licht wird überall;
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Es strahlt aus dem Glücke von Edenhall.
 
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Da spricht der Lord und schwingt's dabei:
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„Dies Glas von leuchtendem Kristall
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Gab meinem Ahn am Quell die Fei;
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Drein schrieb sie: Kommt dies Glas zu Fall,
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Fahr wohl dann, o Glück von Edenhall!
 
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Ein Kelchglas ward zum Los mit Fug
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Dem freud'gen Stamm von Edenhall;
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Wir schlürfen gern in vollem Zug,
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Wir läuten gern mit lautem Schall.
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Stoßt an mit dem Glücke von Edenhall!"
 
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Erst klingt es milde, tief und voll,
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Gleich dem Gesang der Nachtigall,
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Dann wie des Waldstroms laut Geroll;
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Zuletzt erdröhnt wie Donnerhall
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Das herrliche Glück von Edenhall.
 
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„Zum Horte nimmt ein kühn Geschlecht
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Sich den zerbrechlichen Kristall;
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Er dauert länger schon als recht;
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Stoßt an! Mit diesem kräft'gen Prall
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Versuch' ich das Glück von Edenhall."
 
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Und als das Trinkglas gellend springt,
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Springt das Gewölb' mit jähem Knall,
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Und aus dem Riß die Flamme dringt;
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Die Säfte sind zerstoben all
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Mit dem brechenden Glücke von Edenhall.
 
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Ein stürmt der Feind mit Brand und Mord,
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Der in der Nacht erstieg den Wall;
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Vom Schwerte fällt der junge Lord,
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Hält in der Hand noch den Kristall,
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Das zersprungene Glück von Edenhall.
 
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Am Morgen irrt der Schenk allein,
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Der Greis, in der zerstörten Hall';
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Er sucht des Herrn verbrannt Gebein,
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Er sucht im grausen Trümmerhall
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Die Scherben des Glücks von Edenhall.
 
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„Die Steinwand," spricht er, „springt zu Stück,
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Die hohe Säule muß zu Fall,
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Glas ist der Erde Stolz und Glück;
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In Splitter fällt der Erdenhall
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Einst gleich dem Glücke von Edenhall."
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Das Glück von Edenhall“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
55
Anzahl Wörter
339
Entstehungsjahr
1787 - 1862
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Das Glück von Edenhall“ ist Ludwig Uhland. Der Autor Ludwig Uhland wurde 1787 in Tübingen geboren. Zwischen den Jahren 1803 und 1862 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Romantik zuordnen. Der Schriftsteller Uhland ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Als Romantik wird die Epoche der Kunstgeschichte bezeichnet, deren Ausprägungen sich sowohl in der Literatur, Kunst und Musik als auch in der Philosophie niederschlugen. Die Epoche der Romantik lässt sich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert verorten. Die literarische Romantik kann darauf aufbauend etwa auf die Jahre 1795 bis 1848 zeitlich eingeordnet werden. Bis in das Jahr 1804 hinein spricht man in der Literatur von der Frühromantik, bis 1815 von der Hochromantik und bis 1848 von der Spätromantik. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Schriftsteller der Romantik in Auflösung begriffen. Die zentralen Motive der Romantik sind das Schaurige, Unterbewusste, Fantastische, Leidenschaftliche, Individuelle, Gefühlvolle und Abenteuerliche, welche die Grenzen des Verstandes sprengen und erweitern sollen und sich gegen das bloße Nützlichkeitsdenken sowie die Industrialisierung richten. Die romantischen Dichter sehnen sich nach der Einheit von Geist und Natur. Ein Hinwenden zum Mittelalter ist erkennbar. So werden Kunst und Architektur dieser vergangenen Zeit geschätzt. Die Missstände dieser Zeit bleiben jedoch unerwähnt. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Gedichten und Texten. Phantasie ist für die Romantiker das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Poesie und Wissenschaft, zwischen Traum und Wirklichkeit soll durchbrochen werden. Die Romantiker streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es, alle Lebensbereiche zu poetisieren.

Das 339 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 55 Versen mit insgesamt 11 Strophen. Die Gedichte „Auf ein Kind“, „Der König auf dem Thurme“ und „Des Sängers Fluch“ sind weitere Werke des Autors Ludwig Uhland. Zum Autor des Gedichtes „Das Glück von Edenhall“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 57 Gedichte vor.

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