Emancipation von Johann Karl Wilhelm Geisheim

Ja, die Fastnacht! – die gefällt,
Ist der Lenz im Winter,
Aber von dem Fasten hält
Man nicht viel dahinter;
Denn der Mensch hat’s Fleisch zu lieb,
Und umsonst deshalb schon schrieb
Paul an die Corinther.
 
Nach der Fastnacht Buße thun
Auf dem Aschensacke,
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Sich kastein, das ist nicht nun
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Nach dem Zeitgeschmacke;
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Lieber denket Jeder dran,
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Daß er sacke, was er kann,
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Als es sich abzwacke.
 
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Auf Gewerbefreiheit pocht
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Auch des Menschen Magen,
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Nie genug wird ihm gekocht,
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Sattsam aufgetragen;
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Durch der Fasten Brauch genirt,
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Hat er sich emancipirt
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Drum in unsern Tagen.
 
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Aber wer sich nennet frei,
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So wie wir uns nennen,
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Dessen Leib nicht kommt es bei,
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Sich vom Geist zu trennen;
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Und der Fastenpredigt Sinn,
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Zu der Lebenslust Gewinn,
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Fröhlich wir erkennen.
 
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Unsre Fastnacht hauet nicht
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Über Schnur und Stränge;
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Unser Magen ehret Licht,
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Sitten und Gesänge,
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Die uns mahnen: Faste, Herz,
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Ehe dich der Reue Schmerz
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Wider Willen zwänge.
 
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Aber fern doch von uns sei
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In dem lieben Leben
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Grämliche Kopfhängerei
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Bei Gesang und Reben.
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Unsre Tafel schmückt das Glas;
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Doch, wie trifft man’s rechte Maß? –
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Ja, – das ist es eben!!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Emancipation“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
187
Entstehungsjahr
1839
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht trägt den Titel „Emancipation“, wurde von Johann Karl Wilhelm Geisheim verfasst und stammt aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht heiter und beschwingt. Es scheint sich um das Thema Fastnacht und Fasten zu drehen, welche als traditionelle Feste und Bräuche in der christlichen Kultur eine wichtige Rolle spielen.

Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich in der ersten und zweiten Strophe die Lust der Menschen auf die Freuden der Fastnacht und die weniger beliebte Praxis des Fastens. Es wird darauf hingewiesen, dass die Menschen ihr Fleisch (hier: Essen und Vergnügen) lieben und lieber genießen, was sie können, anstatt sich selbst zu kasteien. In der dritten Strophe geht es um die Gewerbefreiheit des menschlichen Magens, welche als Metapher für die menschliche Gier und unersättliche Begierde interpretiert werden kann. Das lyrische Ich spricht von der Emanzipation des Menschen von der Tradition des Fastens.

Die vierte und fünfte Strophe spielen auf die Trennung von Leib und Geist an und die Bedeutung der Fastenpredigt für die sinnvolle Bereicherung des Lebens. Es wird betont, dass der Sinn der Fastenpredigt erkannt und gewürdigt wird, allerdings auf eine nicht strenge, sondern eher fröhliche Art und Weise.

In der sechsten Strophe erwähnt das lyrische Ich, dass das richtige Maß in der Fröhlichkeit und im Genuss gefunden werden muss, was eine wichtige Lebenslektion zu sein scheint.

Formal besteht das Gedicht aus sechs gleich gebauten siebenzeiligen Strophen mit einem regelmäßigen Reimschema. Der Sprachstil ist einfach und direkt, mit einer lebhaften und humorvollen Diktion. Das Gedicht eroeffnet eine Diskussion über die Balance zwischen Genuss und Askese, Emotion und Vernunft, Tradition und Moderne.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das Gedicht „Emancipation“ nicht nur die Praxis der Fastnacht und des Fastens kritisiert und persifliert, sondern auch die menschliche Haltung zur Askese, Frömmigkeit und Lebenslust beleuchtet. Es plädiert für eine moderate Haltung in der Lebensführung und betont die Notwendigkeit der individuellen Freiheit und Emanzipation von strengen religiösen und gesellschaftlichen Konventionen. Gleichzeitig warnt es vor Exzessen und der Vernachlässigung moralischer und spiritueller Werte.

Weitere Informationen

Johann Karl Wilhelm Geisheim ist der Autor des Gedichtes „Emancipation“. Der Autor Johann Karl Wilhelm Geisheim wurde 1784 in Breslau geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1839. Der Erscheinungsort ist Breslau. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das vorliegende Gedicht umfasst 187 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 42 Versen. Johann Karl Wilhelm Geisheim ist auch der Autor für Gedichte wie „Dem Jahre“, „Der Faschingsmantel“ und „Der Wintergarten“. Zum Autor des Gedichtes „Emancipation“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 29 Gedichte vor.

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