Elegie auf einen Mops von Moritz August von Thümmel

Das grosse Warnungsbild, das ich mit ihm verloren,
So weit mein Auge reicht, ersetzt kein andres nicht.
Belehrender war nie ein Sonderling geboren,
Und keiner trug, bei kürzern Ohren,
Ein philosophischer Gesicht.
 
Zwar sah’ ich manche Stirn von Königsberg bis Leiden
Mit diesem mystischen gelehrten Ueberzug:
Doch sah’ ich keine je, die, Runzeln so bescheiden,
Von allen Wesen zu beneiden,
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Als meines Hundes Stirne, trug.
 
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Der schönsten Stadt entführt, wo der Beruf zu schlafen,
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Durch Lindenduft verstärkt, das Bürgerrecht ihm gab,
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Ward er, wie Epiktet, vom ungestalten Sklaven
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Mein Freund. Er wars, dem Polygraphen
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Der Schweiz zum Trutz, bis an sein Grab.
 
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Er warf den hohen Ernst der kritischen Geberde
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Nie auf ein Mitgeschöpf, nie ausser sich herum.
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Der Schnarcher suchte nie, so weit ihn Gottes Erde
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Auch trug, dass er bewundert werde,
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Ein grössres Auditorium.
 
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Nur still erbaut’ er mich. Von seinem gelben Felle
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Blickt’ ich gestärkter auf in die beblümte Flur:
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Mein krankes Auge stieg von seiner Lagerstelle
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Gemach vom Dunkeln in das Helle
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bis zu dem Lichtquell der Natur.
 
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Wenn er sich schüttelte, las ich in seinen Blicken
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Den herrlichen Beweis vortrefflich kommentirt,
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Den einst, vom Uebergang des Schmerzes zum Entzücken,
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Aus gleicher Nothdurft sich zu jücken,
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Der weise Sokrates geführt.
 
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Kein unbequemer Freund, kein Trunkenbold, kein Fresser,
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In richtiger Mensur, nicht stolz, nicht zu gemein,
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Schlief er sein Leben durch, und wahrlich, desto besser!
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Er schläferte, wie ein Professer,
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Auch seinen klügern Nachbar ein.
 
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Lebt wohl ein Menschenfreund, der sich nicht seiner Hunde,
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Nicht ihrer Tugenden und ihrer Liebe freut?
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Sucht nicht selbst den Friederich, kraft seiner Menschenkunde,
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Das Spielwerk seiner Ruhestunde
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In seines Hunds Geselligkeit?
 
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Ulyss, von seinem Hof verkannt und ausgeschlossen,
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Bewährt der Treue Ruhm, den sich sein Hund erwarb:
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Alt, blind, kroch er dem zu, nach Jahren, die verflossen,
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Von dem er Wohlthat einst genossen,
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Zog seinen Dunst noch ein, und starb.
 
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Wie hast du, guter Mops, nicht meiner Stirne Falten,
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Sah’ ich dem Grillenspiel der deinen zu, gegleicht!
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Gewarnter nun durch dich, frühzeitig zu veralten,
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Sei immer dir mein Dank erhalten!
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Auch dir sei Gottes Erde leicht!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.6 KB)

Details zum Gedicht „Elegie auf einen Mops“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
50
Anzahl Wörter
345
Entstehungsjahr
1804
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Moritz August von Thümmel, der von 1738 bis 1817 gelebt hat. Er gehört zu den Schriftstellern der deutschen Aufklärung. Das Gedicht „Elegie auf einen Mops“ ist demnach dem 18. Jahrhundert zuzuordnen.

Auf den ersten Blick fällt vor allem die Länge des Gedichts auf, es besteht aus 10 Strophen mit je 5 Versen. Es handelt sich um eine Elegie, also eine klagende und elegische Dichtung, die sich hier jedoch auf einen ungewöhnlichen 'Protagonisten', nämlich einen Mops, bezieht.

Im Gedicht wird der Verlust des Mopses bedauert und dessen einzigartige Eigenschaften gerühmt: der Mops wird als eigenständige, beinahe menschenähnliche Persönlichkeit dargestellt, die dem lyrischen Ich fehlt. Der Mops wird hierbei als Lehrer und weiser Freund betrachtet, der in seinen Verhaltensweisen Belehrungen und Einsichten vermittelte.

Die Form des Gedichts ist strukturiert, jeder der insgesamt 50 Verse hat das gleiche Metrum und es herrscht ein durchgängiger Reim. Die Sprache ist gehoben und bildreich, der Mops wird als philosophisches Wesen beschrieben, als ein Wissender, eine Kreatur mit Weisheit über das Leben. Durch diese Sichtweise rückt der Mops ins Zentrum der Aufmerksamkeit und erhält eine besondere Bedeutung.

Insgesamt drückt das Gedicht die tiefe Zuneigung und Verbundenheit des lyrischen Ichs für den Mops aus und stellt die Beziehung zwischen Mensch und Tier in den Vordergrund. Es nimmt den Mops als eigenes Wesen ernst und würdigt ihn in seinen besonderen Eigenschaften und Verhaltensweisen. Dabei schwingt immer auch ein Hauch Humor mit und die Gelegenheit zur Selbstreflexion bleibt nicht aus. Es zeigt dem Leser, wie wichtig und bereichernd die Beziehung zu einem Haustier sein kann und wie sehr ein solcher Verlust schmerzen kann.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Elegie auf einen Mops“ ist Moritz August von Thümmel. 1738 wurde Thümmel in Schönefeld bei Leipzig geboren. 1804 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Zürich. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Klassik oder Romantik zugeordnet werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 345 Wörter. Es baut sich aus 10 Strophen auf und besteht aus 50 Versen. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Elegie auf einen Mops“ keine weiteren Gedichte vor.

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