Einzug von Theodor Fontane

Wer kommt? wer? –
Fünf Regimenter von Düppel her.
Fünf Regimenter vom dritten Corps
Rücken durchs Brandenburger Thor;
Prinz Friedrich Karl, Wrangel, Manstein,
General Roeder, General Canstein,
Fünf Regimenter, vom Sundewitt
Rücken sie an in Schritt und Tritt.
 
Wer kommt? wer? –
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Zuerst die Achter. A la bonne heure!
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Die Achter; Hut ab, Sapperment,
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Vor dem Yorkschen Leibregiment;
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Schanze Neun und Schanze Drei
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Waren keine Spielerei.
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Hut ab und Hurrah ohne End,
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Allemal hoch das Leibregiment!
 
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Wer kommt? wer? –
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Hurrah, die Vierundzwanziger.
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Guten Tag, guten Tag und gehorsamster Diener!
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Ei, das sind ja meine Ruppiner;
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Flinke Kerle, ohne Flattusen,
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Grüß Gott Dich, Görschen und Brockhusen! –
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Möchte manchen von Euch umhalsen,
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Düppel war gut, besser war Alsen, –
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’s war keine Kunst, Euch half ja die Fee,
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Die Wasserfee vom Ruppiner See.
 
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Wer kommt? wer? –
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Hurrah, die Vierundsechziger.
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Hurrah, die sind wieder breiter und stärker,
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Das macht, es sind richtige Uckermärker,
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Die sind schon mehr für Kolbe und Knüppel,
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Conferatur Wester- und Oster-Düppel
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Verstehen sich übrigens auch auf Gewehre,
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Siehe Fohlenkoppel und Arnkiel-Oere
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Funfzig dänische Feuerschlünde
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Können nichts gegen Prenzlau und Angermünde.
 
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Wer kommt? wer? –
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Füsiliere, Funfunddreißiger.
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Hurrah, das wirbelt und schreitet geschwinder,
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Hurrah, das sind Berliner Kinder!
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Jeder, als ob er ein Gärtner wäre,
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Trägt drei Sträußer auf seinem Gewehre.
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Gärtner freilich, gegraben, geschanzt,
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Dann sich selber eingepflanzt,
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Eingepflanzt auf Schanze zwei –
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Die flinken Berliner sind vorbei.
 
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Wer kommt? wer? –
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Hurrah, unsre Sechziger.
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Oberst von Hartmann, fest im Sitze,
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Grüßt mit seiner Säbelspitze.
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Hut ab und heraus die Tücher!
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Das sind unsere Oderbrücher.
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Keine Knattrer und bloße Verschluser
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Lauter Barnimer und Lebuser;
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Fest ist ihr Tritt, frank und frei –
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Major von Jena ist nicht mehr dabei.
 
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Wer kommt? wer? –
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Artillerie und Ingenieur;
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Elfte Ulanen, Zieten-Husaren,
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Paukenwirbel und Fanfaren.
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Halt! Der ganze Waffenblitz
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Präsentirt vor König Fritz.
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Alles still, kein Pferdegeschnauf,
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Zehntausend blicken zu ihm auf;
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Der neigt sich leise und lüpft den Hut:
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„Concedire, es war gut.“
 
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Einzug.
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(20. September 1866.)
 
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Viktoria hat heute Dienst am Thor;
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„Landwehr, zeig’ Deine Karte vor,
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Paßkart’ oder Steuerschein,
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Eins von beiden muß es sein.“
 
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„„Alles in Ordnung. Jedenfalls
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Zahlten wir Steuer bei Langensalz,
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Wir zahlten die Steuer mit Blut und Schweiß““; –
 
76 
„Landwehr passir’, ich weiß, ich weiß.“
 
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Viktoria hat heute Dienst am Thor;
78 
„Linie, zeig Deine Karte vor,
79 
Paßkart’ oder Steuerschein;
80 
Ein Paß, das wird das Beste sein.“
 
81 
„„Wir haben Pässe die Hände voll,
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Zuerst den Brückenpaß bei Podòll,
83 
Dann Felsenpässe aus West und Ost
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Nachod, Skalitz und Podkòst,
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Und wenn die Felsenpässe nicht ziehn,
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So nimm noch den Doppelpaß von Gitschin,
87 
Sind allesamt geschrieben mit Blut; –““
 
88 
„Linie passir’, is gut, is gut.“
 
89 
Viktoria hat heute Dienst am Thor;
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„Garde, zeig’ Deine Karte vor,
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Preußische Garde, willkommen am Ort,
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Aber erst das Losungswort.“
 
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„„Wir bringen gute Losung heim
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Und als Parole ’nen neuen Reim,
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Einen neuen preußischen Reim auf Ruhm;
 
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„Nenn’ ihn, Garde!“
 
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„Die Höhe von Chlum.“
 
98 
„Ein guter Reim, ich salutir’,
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Preußische Garde passir’, passir’.“
 
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Glocken läuten, Fahnen wehn,
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Die Sieger drinnen am Thore stehn,
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Eine Siegesgasse ist aufgemacht:
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Oestreichsche Kanonen zweihundertundacht,
104 
Und durch die Gasse die Sieger ziehn. –
105 
Das war der Einzug in Berlin.
 
106 
Einzug.
107 
(16. Juni 1871.)
 
108 
Und siehe da, zum dritten Mal
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Ziehen sie ein durch das große Portal;
110 
Der Kaiser vorauf, die Sonne scheint,
111 
Alles lacht und Alles weint.
 
112 
Erst die Garde. Brigaden vier,
113 
Garde und Garde-Grenadier’:
114 
Elisabether, Alexandriner,
115 
Franziskaner, Augustiner,
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Sie nahmen, noch nicht zufrieden mit Chlum,
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Bei Privat ein Privatissimum.
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– Mit ihnen kommen, geschlossen, gekoppelt,
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Die Säbel in Händen, den Ruhm gedoppelt
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Die hellblauen Reiter von Mars la Tour,
121 
Aber an Zahl die Hälfte nur.
 
122 
Garde vorüber. – Garde tritt an:
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Regiment des Kaisers, Mann an Mann,
124 
Die Siebner, die Phalanx jedes Gefechts,
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„Kein Schuß; Gewehr zur Attacke rechts!“
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Die sieben ist eine besondere Zahl,
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Dem einen zur Lust, dem andern zur Qual;
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Was von den Turkos noch übrig geblieben
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Spricht wohl von einer bösen Sieben.
 
130 
Blumen fliegen aus jedem Haus,
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Der Himmel strömt lachende Lichter aus
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Und der Lichtball selber lächelt in Wonne:
133 
„Es giebt doch noch Neues unter der Sonne.“
 
134 
Gewiß. Eben jetzt einschwenkt in das Thor
135 
Keine Linie zurück, keine Linie vor,
136 
En bataillon, frisch wie der Lenz,
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Die ganze Armee in Double-Essenz.
138 
Ein Corps bedeutet jeder Zug,
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Das ist kein Schreiten, das ist wie Flug;
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Das macht, weil ihnen ungesehn
141 
Dreihundert Fahnen zu Häupten wehn.
 
142 
Bunt gewürfelt Preußen, Hessen,
143 
Bayern und Baden nicht zu vergessen,
144 
Sachsen, Schwaben, Jäger, Schützen,
145 
Pickelhauben und Helme und Mützen,
146 
Das Eiserne Kreuz ihre einzige Zier;
147 
Alles zerschossen; ihr ganzes Prahlen
148 
Nur ein Wettstreit in den Zahlen,
149 
In den Zahlen derer, die nicht hier.
 
150 
Zum dritten Mal
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Ziehen sie ein durch das große Portal;
152 
Die Linden hinauf erdröhnt ihr Schritt,
153 
Preußen-Deutschland fühlt ihn mit.
 
154 
Hunderttausende auf den Zehenspitzen!
155 
Vorüber wo Einarm und Stelzfuß sitzen,
156 
Jedem Stelzfuß bis in sein Bein von Holz,
157 
Fährt der alte Schlachtenstolz.
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Halt,
159 
Vor des Großen Königs ernster Gestalt.
 
160 
Bei dem Fritzen-Denkmal stehen sie wieder,
161 
Sie blicken hinauf, der Alte blickt nieder;
162 
Er neigt sich leise über den Bug:
163 
„Bon soir, Messieurs, nun ist es genug.“

Details zum Gedicht „Einzug“

Anzahl Strophen
30
Anzahl Verse
163
Anzahl Wörter
824
Entstehungsjahr
1864, 1866, 1871
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Einzug“ wurde von Theodor Fontane verfasst, einem der bedeutendsten deutschen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Fontane war dafür bekannt, dass er das Alltagsleben und die gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit in seinen Werken genau wiedergab. „Einzug“ wurde im Jahr 1866 verfasst.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht wie ein lebhaftes und begeistertes Bild eines militärischen Einzugs. Es liefert eine detaillierte Schilderung der verschiedenen Armeen und Regimenter, die durch das Brandenburger Tor ziehen, genannt nach ihren Nummern oder den Namen ihrer Anführer.

In einfachen Worten erzählt das Gedicht von der Parade verschiedener preußischer Regimenter nach einem gewonnenen Krieg. Das lyrische Ich beobachtet und kommentiert die vorbeiziehenden Soldaten und ruft die Zuschauer auf, die Heimkehrer zu begrüßen und zu ehren. Die vielen Nennungen von historischen Schlachten und spezifischen Regimenter weisen darauf hin, dass die Soldaten gerade von einem erfolgreichen Feldzug zurückkehren.

Die Form des Gedichts ist recht unregelmäßig und variiert in der Länge der Strophen. Die Sprache ist lebendig und bildhaft, mit vielen Ausrufen und Dialogen, die eine Atmosphäre der Aufregung und Begeisterung erzeugen. Fontane verwendet Begriffe aus der Militärsprache und lokale Dialekte, um die verschiedenen Regimenter und ihre Besonderheiten zu charakterisieren.

Die wiederholten Fragen „Wer kommt? Wer?“, gefolgt von einer Beschreibung der anrückenden Soldaten, erzeugen eine fesselnde Dramaturgie. Gleichzeitig wird durch die detaillierte Darstellung der Soldaten und ihrer Waffen die militärische Atmosphäre betont.

Das Gedicht endet mit einer Szene, in der die Soldaten als Helden gefeiert werden, die ihre Pflicht tapfer erfüllt haben.

Insgesamt zeigt Fontanes Gedicht „Einzug“ eine tiefgreifende Wertschätzung und Achtung für die Soldaten und ihren Dienst für das Land. Gleichzeitig spiegelt es die Stimmung und Einstellung der Gesellschaft zur Militärparade auf einer bildhaften, fast theatrale Weise wider. Mit der detaillierten Schilderung des Einzugs huldigt Fontane den heimkehrenden Kriegern und würdigt ihre Leistungen und Opfer. Es ist ein beeindruckendes Beispiel für die dichterische Auseinandersetzung mit kriegerischen Ereignissen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Einzug“ ist Theodor Fontane. Im Jahr 1819 wurde Fontane in Neuruppin geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1871 zurück. Erscheinungsort des Textes ist Stuttgart und Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Realismus zuordnen. Fontane ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 824 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 163 Versen mit insgesamt 30 Strophen. Theodor Fontane ist auch der Autor für Gedichte wie „Aber es bleibt auf dem alten Fleck“, „Afrikareisender“ und „Alles still!“. Zum Autor des Gedichtes „Einzug“ haben wir auf abi-pur.de weitere 214 Gedichte veröffentlicht.

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