Einsamkeit von Andreas Gryphius
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IN dieser Einsamkeit / der mehr denn öden Wüsten / |
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Gestreckt auff wildes Kraut / an die bemößte See: |
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Beschau’ ich jenes Thal vnd dieser Felsen Höh’ |
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Auff welchem Eulen nur vnd stille Vögel nisten. |
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Hier / fern von dem Pallast; weit von deß Pövels Lüsten / |
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Betracht ich: wie der Mensch in Eitelkeit vergeh’ |
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Wie / auff nicht festem Grund’ all vnser Hoffen steh’ |
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Wie die vor Abend schmähn / die vor dem Tag vns grüßten. |
9 |
Die Höl’ / der rauhe Wald / der Todtenkopff / der Stein / |
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Den auch die Zeit aufffrist / die abgezehrten Bein. |
11 |
Entwerffen in dem Muth vnzehliche Gedancken. |
12 |
Der Mauren alter Grauß / diß vngebau’te Land |
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Ist schön vnd fruchtbar mir / der eigentlich erkant / |
14 |
Daß alles / ohn ein Geist / den Gott selbst hält / muß wancken. |
Details zum Gedicht „Einsamkeit“
Andreas Gryphius
1
14
120
1658
Barock
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichts „Einsamkeit“ ist Andreas Gryphius. Gryphius lebte von 1616 bis 1664, somit ist das Gedicht der Epoche des Barock zuzuordnen. Diese Zeitepoche ist geprägt von einem tiefgründigen Pessimismus und dem Bewusstsein der Vergänglichkeit, was auch als Vanitas-Motiv bekannt ist. Diese philosophische Strömung spiegelt sich in dem Gedicht wider.
Die erste Strophe des Gedichts vermittelt auf den ersten Blick einen Eindruck von tiefer Melancholie und Einsamkeit. Hellwach und in stiller Betrachtung, schildert das lyrische Ich die trostlose Landschaft, welche von der „öden Wüsten“ und der „bemoßten See“ dominiert wird.
Der Inhalt des Gedichts bezieht sich auf die tiefe Reflexion des lyrischen Ichs über die Natur der menschlichen Existenz und die eitle und unbeständige Welt. Das lyrische Ich betrachtet das Tal und die Höhe der Felsen, entfernt von Palästen und den Lüsten der Menschen, und erkennt, dass das Leben vergänglich ist und Hoffnungen oft auf unsicherem Grund stehen.
In Form und Sprache ist das Gedicht typisch für Gryphius und die Barockzeit. Das Gedicht besteht aus vierzehn Versen, einer gängigen Form in der Barockpoesie. Die Sprache ist eher archaisch und reflektierend, mit einer tiefen Resignation und Melancholie, die die grundsätzliche Weltanschauung der Barockzeit wiedergibt.
Das lyrische Ich schließt mit der Erkenntnis, dass ohne einen Geist, den Gott hält, alles ins Wanken gerät. Diese zwiespältige Betrachtung auf die Welt und das Leben, sowohl ihre Schönheit und Fruchtbarkeit, als auch ihre Eitelkeit und Vergänglichkeit, sind zentrale Elemente des Barocks und der Dichtung Gryphius.
Alles in allem illustriert das Gedicht „Einsamkeit“ die tiefsinnige und pessimistische Weltsicht der Barockzeit, gekennzeichnet durch eine konsequente Reflexion über Leben, Tod und Vergänglichkeit. Es zeigt eine tiefe Sehnsucht nach Kontemplation und Einsamkeit, in der das lyrische Ich seine Erkenntnisse über die Welt und das Leben gewinnt.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Einsamkeit“ des Autors Andreas Gryphius. 1616 wurde Gryphius in Glogau geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1658 zurück. Der Erscheinungsort ist Breßlau. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Gryphius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Der Barock umfasst die Zeit von 1600 bis 1720. Die wörtliche Übersetzung des portugiesischen Begriffes „barocco“ lautet „unregelmäßig geformte Perle“. Der Dreißigjährige Krieg war ein Religions- und Territorialkrieg in Europa, der für viel Elend, Zerstörung und Tod sorgte. Dazu kamen ein Niedergang der Wirtschaft und die Pest, welche das Unheil während des Dreißigjährigen Krieges nur noch verschärfte. Vornehmlich Pest und Krieg in der Literaturepoche des Barocks zeigen auch ein besonderes Merkmal auf: der Gegensatz. Auf der einen Seite Armut, Elend und Tod, auf der anderen Glanz, Prunk und Macht. So lebte die einfache Bevölkerung in größtenteils bitterer Armut, während Adelige einen protzigen Lebensstil bevorzugten. In der Literatur des Barocks löste die deutsche Sprache das Lateinische ab. Im Barock war der größte Teil der Literatur Gelegenheitsdichtung. Man dichtete zur gehobenen Unterhaltung oder bei Hofe zur Fürstenhuldigung. Für wohlhabende Bevölkerungsschichten schrieben Lyriker zum Anlass von Beerdigungen, Taufen, Hochzeiten. Die Lyrik im Barock wird daher auch Gesellschaftsdichtung genannt.
Das Gedicht besteht aus 14 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 120 Worte. Die Gedichte „An Gott den Heiligen Geist“, „An H. Christoph von Dihr“ und „An Jolinden“ sind weitere Werke des Autors Andreas Gryphius. Zum Autor des Gedichtes „Einsamkeit“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 463 Gedichte vor.
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