Einsamer Spazierflug von Joachim Ringelnatz

Nun ich wie gestorben bin
Und wurde ein Engelein,
Fliege ich über dein Wohnhaus hin.
Häuschen klein.
 
Die du als Witwe wieder umworben
Sein magst,
Da ich doch schon verstorben
Bin –. Was du wohl sagst?
Ob du gefaßt bist oder klagst?
 
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Oder ob dein Humor wieder steht,
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Du dessen eingedenk bist,
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Daß ein aufrichtiges Gebet
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Ein unterweges Selbstgeschenk ist?
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Ach, wie es dir wohl geht?
 
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Ob du dich verlassen meinst?
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Ob du gar Gott verneinst,
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Anstatt daß du dankbar
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Bist. Wüßte ich, daß du jetzt so weinst
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Wie einst, da ich krank war,
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Kippte ich die Maschine kurz
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Steil ab auf Sturz.
 
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Oder sollte einem Engelein
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Solch ein Kegelpurz
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Verboten sein??
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.7 KB)

Details zum Gedicht „Einsamer Spazierflug“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
111
Entstehungsjahr
1929
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Einsamer Spazierflug“ wurde von dem deutschen Schriftsteller und Kabarettisten Joachim Ringelnatz verfasst, der von 1883 bis 1934 lebte. Sein Werk ist der Moderne zuzuordnen, in erster Linie der expressionistischen Lyrik, aber auch der Neuen Sachlichkeit.

Der erste Eindruck weist eine Mischung aus Melancholie, Sorge und ironischem Humor aus. Dabei entwickelt der Autor eine ungewöhnliche Perspektive, indem das lyrische Ich sich als verstorbene Seele vorstellt, die noch Kontakt mit der Welt der Lebenden hat.

Der Inhalt des Gedichts handelt davon, dass das lyrische Ich nach seinem Tod als Engelswesen über dem Haus einer geliebten Person schwebt und sich Gedanken über deren Gemütszustand macht. Es spekuliert, ob sie trauert oder versucht, sich mit Humor oder Gebet über seinen Tod hinwegzutrösten, und ob sie sich verlassen oder gar von Gott verlassen fühlt. Das Ich zeigt sich bereit, aus Mitgefühl und Liebe zu ihr in Risiko zu gehen und sich sogar zu Fall zu bringen, falls sie sehr leidet – auch wenn dies einem Engelswesen vielleicht untersagt sein könnte.

Die Form des Gedichts ist nicht streng gebunden. Die jeweiligen Strophen haben eine unterschiedliche Anzahl von Versen. Die Sprache ist klar und einfach, mit wenigen direkten Metaphern oder bildhaften Ausdrücken. Der Ausdruck „Kegelpurz“ in der letzten Strophe ist ein altertümlicher Begriff für einen tollkühnen Fall oder Sturzflug.

Bemerkenswert ist der Ton des Gedichts, der die ernsten, ja tragischen Themen Tod, Trauer und Verzweiflung mit einem leichten, manchmal spielerisch-ironischen Unterton behandelt. Dies spiegelt den typischen Stil von Ringelnatz wider, der für seinen skurrilen Humor und seine eigenwillige Sicht auf das Leben und den Tod bekannt ist.

Insbesondere die Vorstellung eines Engels, der bereit ist, einen „Kegelpurz“ zu machen, verleiht dem Gedicht eine fast schalkhafte Note. In der Haltung des lyrischen Ichs kommt zugleich eine tiefe Empathie und Liebe für die zurückgelassene Person zum Ausdruck. Dies verleiht dem Gedicht eine rührende Menschlichkeit.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Einsamer Spazierflug“ ist Joachim Ringelnatz. Der Autor Joachim Ringelnatz wurde 1883 in Wurzen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1929 zurück. Erschienen ist der Text in Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Bei Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 111 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz sind „...als eine Reihe von guten Tagen“, „7. August 1929“ und „Abendgebet einer erkälteten Negerin“. Zum Autor des Gedichtes „Einsamer Spazierflug“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.

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