Ein Brief von Ferdinand Freiligrath

Das war ein lustig Ziehen
Und Reisen durch die Welt!
Das war ein Fackelsprühen
Von Zürich bis zum Belt!
Aus Herzen und aus Küchen
Stieg Weihrauch dir empor;
Pelotons von Tafelsprüchen
Schlugen knatternd an dein Ohr!
 
Ein neuer Held Sankt Jürgen
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Durch Deutschland zogst du frei,
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Im Fluge zu erwürgen
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Den Molch der Tyrannei!
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Wie kommt es, daß der Grause
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Noch züngelt ungescheut?
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Verpaßtest du beim Schmause
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Vielleicht die rechte Zeit?
 
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Du trotziger Diktator,
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Wie bald zerbrach dein Stab!
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Dahin der Agitator,
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Und übrig nur - der Schwab'!
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Verwelkt schon deine Blume!
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Dein Kranz, o Freund, hängt schief!
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Du schriebst dem eignen Ruhme,
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Ach, den Uriasbrief!
 
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Nun können sie dich bänd'gen,
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Philister und Zelot:
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»Da habt ihr den Lebend'gen!
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Er schlug sich selber tot!«
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Wen Ruhmeskleider zieren,
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Der hüte sie, wie Schnee!
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Wahr ist es: Renommieren
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Verdirbt die Renommee!
 
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Wer sagt, er stände Wache
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Fürs Recht, der halte Stich,
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Und gebe statt der Sache
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Nicht immer nur sein Ich!
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Der schwinge, wo fürs Ganze
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Man ernste Speere bricht,
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Ruhmredig nicht die Lanze,
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Mit der die Hoffart ficht!
 
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Wer so mit Wein der Ehren
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Empfangen ward, wie du,
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Wie mocht' er den betören,
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Trank auch ein Volk ihm zu?
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O Schmach, im Rausch zu fallen,
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In Händen noch den Krug!
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Berauscht sich zu erlallen
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Des Lächerlichen Fluch!
 
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Das ist's - Wohl wird geschlagen
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Ein Held im Kriegsgewühl;
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In alt und neuen Tagen
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Schritt mancher ins Exil;
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Doch rings im Volksgetümmel
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Kein Höhnen und kein Groll:
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Sein Stern erlosch am Himmel
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Doch rein und würdevoll!
 
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Die Freiheit rang die Hände,
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Da seine band der Strick!
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Wie tote Fackelbrände
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Der Freunde düstrer Blick!
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Ringsum Gewitterstirnen,
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Rings Murmeln durchs Visier,
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Ringsum verhaltnes Zürnen
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O, ständ' es so mit dir!
 
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Dir folgt, wie plumpen Schnittern,
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Ein Rauschen, hörbar kaum;
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Das ist der Triebe Zittern
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Am jungen Freiheitsbaum!
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Der Knospen und der Triebe,
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Die freudig ihn geschmückt!
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Die, ach, mit einem Hiebe
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Du alle fast geknickt!
 
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So ziehst du! - Was ich sagte,
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Wohl klingt es schonungslos!
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Doch wer uns Arndt verklagte,
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Zog selber sich das Los!
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Du nanntest den alten Riesen
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Zu alt zu dieser Frist?
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Du hast uns nur bewiesen,
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Daß du zu jung noch bist!
 
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Zieh hin, - doch um zu kehren!
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Die Freiheit kann verzeihn!
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Bring' ein die alten Ehren,
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Mit Liedern bring' sie ein!
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Der Dichtung Goldstandarte,
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Laß wehn sie, doppeltreich:
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Poet, wetz' aus die Scharte,
88 
Wetz' aus den Schwabenstreich!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.3 KB)

Details zum Gedicht „Ein Brief“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
88
Anzahl Wörter
399
Entstehungsjahr
1843
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Ein Brief“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Ferdinand Freiligrath. Im Jahr 1810 wurde Freiligrath in Detmold geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1843. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Der Schriftsteller Freiligrath ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 399 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 88 Versen mit insgesamt 11 Strophen. Die Gedichte „Eispalast“, „Freie Presse“ und „Springer“ sind weitere Werke des Autors Ferdinand Freiligrath. Zum Autor des Gedichtes „Ein Brief“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 65 Gedichte vor.

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