Zwei Flaggen von Ferdinand Freiligrath

Ein Schiff der Mosel auf dem Rhein!
Es kam zu Berg - die Pferde keuchten!
Am Vordermast mit hellem Schein
Sah ich die Flagge leuchten!
Lang wallend flog sie übers Boot
Stattliche Farben, frisch und munter!
So wahr ich lebe: Blau, Weiß, Rot!
Und grad' am Flaggenstock herunter!
 
Anhielt ich staunend meinen Fuß;
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Da drang vom Schiff zu meinem Ohre
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Stolzlustig ein Franzosengruß:
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»Ja doch, schau' her - die Trikolore!«
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Ei, dacht ich zornig, seid nur still!
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Wird doch noch deutsch bei euch gesprochen!
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Lothringisch Volk von Thionville
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Sollt' also nicht auf Frankreich pochen!
 
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Somit den Wimpel ließ ich ziehn;
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Bald schon verbargen ihn die Zweige.
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Ich bin ihm auf dem Rhein nicht grün,
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Des ist der liebe Gott mein Zeuge!
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Und wollt' er anders auf ihn wehn,
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Als friedlich von beladnem Schiffe:
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Ich würde mit ihm Treffen stehn,
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Wenn zu den Schwertern Deutschland griffe!
 
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Das Höchste bleiben Land und Herd!
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Doch sonst - kein Wort von blindem Hasse!
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Auch uns ist dieses Banner wert:
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Es brach de Freiheit eine Gasse!
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Noch ist es feucht von Juliblut
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Nennt eins, das edler und verwegner!
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Drum: sind wir auch auf unsrer Hut,
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Ist uns gerecht doch solch ein Gegner!
 
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Und runzeln wir ihm auch die Braun,
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Wir sagen doch: Ein wackrer Kämpfer!
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Denselben Tag im Abendgraun
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Fuhr noch stromab ein Kölner Dämpfer.
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Dem flog, vom Winde flott geschwellt,
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Breit übern Bord der Aar von Preußen;
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Daneben, schwarz im gelben Feld,
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Der Doppeladler aller Reußen!
 
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Derselbe schwarze, der zerfleischt
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Den weißen jüngst als gute Beute;
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Derselbe, der das Dach umkreischt
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Wildfreier Bergbewohner heute;
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Derselbe, der von seinem Pol
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Rundspäht mit immer kühnerm Dräuen,
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Und, als der Despotie Symbol,
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Feind und verhaßt ist allen Freien!
 
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Derselbe, der zu dieser Frist
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Als Büttel haust auf unsern Grenzen;
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Der gegendeutsch und undeutsch ist,
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Und dem wir dennoch feig scherwenzen;
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Der nur aus Schlauheit eng und fest
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Den Adler diesseits sich verbündet
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Und keck in jedem deutschen Nest
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Ein Filial des eignen gründet!
 
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Derselbe! - Drum auch dieses Tal
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Durchstrich er heut und diese Reben!
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Von einem deutschen Filial
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Nahm er den Flug nach Holland eben!
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Drum auch mit freudigem Geklapp
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Schwirrt' unser Adler ihm entgegen!
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Drum sausten beide auch stromab,
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Als ob - nach einem Ziel sie flögen!
 
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Hinblickt' ich knirschend übern Strand:
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O Deutschland, du im Dienst der Steppe,
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Du mit Sibirien Hand in Hand,
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Du tragend des Kalmücken Schleppe!
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Du vor dem Polenmörder Zar
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In Unterwürfigkeit zerfließend!
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Du seinen Sohn und seine Aar
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Mit Böllerschuß am Rhein begrüßend!
 
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Ei, wie das girrt und kokettiert!
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Ei, wie das um sich wirft mit Küssen!
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Glück auf den Weg! Wohin er führt,
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Wir warten's ab - Weh, daß wir müssen!
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Glück zu! Doch das sagt euch der Rhein:
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Ob die Monarchen Freundschaft treiben
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Die Völker werden Feinde sein,
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Die Völker werden Feinde bleiben!
 
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Geduld'ger Strom! du trägst und wiegst
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Des Franken Banner und des Slawen!
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Daß du ein deutsches endlich trügst
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In jeder Bucht, in jedem Hafen!
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Ein einig deutsches, das - bereit,
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Wenn alzu frech der Hahne krähte!
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Stolz und beherzt zu gleicher Zeit
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Des Russenadlers Gunst verschmähte!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.8 KB)

Details zum Gedicht „Zwei Flaggen“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
88
Anzahl Wörter
512
Entstehungsjahr
1844
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Zwei Flaggen“ des Autors Ferdinand Freiligrath. 1810 wurde Freiligrath in Detmold geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1844 zurück. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Freiligrath ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 88 Versen mit insgesamt 11 Strophen und umfasst dabei 512 Worte. Der Dichter Ferdinand Freiligrath ist auch der Autor für Gedichte wie „Springer“, „Von unten auf“ und „Vor der Fahrt“. Zum Autor des Gedichtes „Zwei Flaggen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 65 Gedichte vor.

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