Einer jungen Freundin ins Stammbuch von Friedrich Schiller

Ein blühend Kind, von Grazien und Scherzen
Umhüpft, so Freundin spielt um dich die Welt.
Doch so, wie sie sich mahlt in deinem Herzen,
In deiner Seele schönen Spiegel fällt,
So ist sie nicht. Die stillen Huldigungen,
Die deines Herzens Adel dir errungen,
Die Wunder, die du selbst gethan,
Die Reize, die dein Daseyn ihm gegeben,
Die rechnest du für Reize diesem Leben,
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Für schöne Menschlichkeit uns an.
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Dem holden Zauber nie entweyhter Jugend,
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Dem Talismann der Unschuld und der Tugend,
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Den will ich sehn, der diesem trotzen kann.
 
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Froh taumelst du im süßen Ueberzählen
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Der Blumen, die um deine Pfade blühn,
 
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Der Glücklichen, die du gemacht, der Seelen,
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Die du gewonnen hast, dahin.
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Sey glücklich in dem lieblichen Betruge,
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Nie stürze von des Traumes stolzem Fluge
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Ein trauriges Erwachen dich herab.
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Den Blumen gleich, die deine Beete schmücken,
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So pflanze sie – nur den entfernten Blicken;
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Betrachte sie, doch pflücke sie nicht ab.
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Geschaffen, nur die Augen zu vergnügen,
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Welk werden sie zu deinen Füßen liegen.
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Je näher dir, je näher ihrem Grab!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „Einer jungen Freundin ins Stammbuch“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
26
Anzahl Wörter
173
Entstehungsjahr
1796
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Einer jungen Freundin ins Stammbuch“ ist von Friedrich Schiller, einem bedeutenden Dichter der deutschen Klassik, der von 1759 bis 1805 lebte. Das Gedicht, das in der späteren Phase seines Schaffens einzuordnen ist, spricht eine junge Frau an und thematisiert ihre unschuldige, jugendliche Begeisterung für das Leben.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht besänftigend und hoffnungsvoll. Es gibt einen liebevollen Rat an eine junge Freundin und betont ihre Unschuld und Tugend.

Der Inhalt des Gedichtes umfasst eine Art Rat oder Ermahnung vom lyrischen Ich an die junge Freundin. Sie wird als ein unschuldiges, fröhliches, tugendhaftes und bewundernswertes Wesen beschrieben, dessen Schönheit und Unschuld die Welt um sie herum verzaubert. Der Dichter warnt sie jedoch, dass die Wirklichkeit nicht immer so schön ist, wie sie sich in ihrem unschuldigen Herzen reflektiert. Sie wird ermutigt, die Blumen des Glücks zu bemerken, aber sie nicht zu pflücken und die Illusion aufrechtzuerhalten, Partizipativ in der Welt zu sein, jedoch ohne sich zu sehr hineinziehen lassen.

Form und Sprache des Gedichts sind bemerkenswert. Schiller verwendet eine Mischung aus Blankversen und reimenden Versen, was zu einem wechselnden Rhythmus beiträgt, der das Interesse des Lesers aufrechterhält. Die Sprache ist bildreich und ansprechend, mit lebhaften Metaphern („Ein blühend Kind“, „Stürze von des Traumes stolzem Fluge“) und personifizierenden Sprachbildern („Die Welt spielt um dich“). Die poetischen Bilder weisen auf das Hauptthema des Gedichtes hin: die Kontraste zwischen Jugend und Erfahrung, unschuldiger Illusion und realem Leben.

Schiller gelingt es, in diesem Gedicht eine eindringliche Botschaft zu vermitteln: Er ermutigt die junge Freundin, die Schönheit in der Welt zu sehen und am Leben teilzunehmen, aber auch, sich selbst treu zu bleiben und sich nicht von falschen Bildern ablenken zu lassen. Es ist eine Botschaft der Hoffnung und Weisheit, eingebettet in wunderschöne, gefühlvolle Poesie.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Einer jungen Freundin ins Stammbuch“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Friedrich Schiller. Schiller wurde im Jahr 1759 in Marbach am Neckar, Württemberg geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1796 entstanden. Der Erscheinungsort ist Neustrelitz. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Schiller ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang reicht zeitlich etwa von 1765 bis 1790. Sie ist eine Strömung innerhalb der Aufklärung (1720–1790) und überschneidet sich teilweise mit der Epoche der Empfindsamkeit (1740–1790) und ihren Merkmalen. Häufig wird die Epoche des Sturm und Drang auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet. Die Klassik knüpft an die Literaturepoche des Sturm und Drang an. Der Literaturepoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Auflehnen gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Schriftsteller der Epoche des Sturm und Drangs waren häufig unter 30 Jahre alt. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde im Besonderen darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden dennoch geschätzt und dienten weiterhin als Inspiration. Mit dem Hinwenden Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Die Weimarer Klassik ist eine Epoche der deutschen Literaturgeschichte, die von zwei bedeutenden Dichtern geprägt wurde: Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Die Literaturepoche beginnt im Jahr 1786 mit Goethes Italienreise und endet im Jahr 1832 mit Goethes Tod. Es gibt aber auch zeitliche Eingrenzungen, die das gemeinsame Schaffen der beiden befreundeten Dichter Goethe und Schiller von 1794 bis zu Schillers Tod 1805 als Weimarer Klassik zeitlich festlegen. Das Zentrum der Literatur der Weimarer Klassik lag in Weimar. Oft wird die Epoche auch nur als Klassik bezeichnet. Humanität, Güte, Gerechtigkeit, Toleranz, Gewaltlosigkeit und Harmonie sind die essenziellen Themen. Die Weimarer Klassik orientiert sich am antiken Kunstideal. Charakteristisch ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal der Literaturepoche des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Gefühl und Vernunft. Die Vertreter der Epoche haben in der Klassik auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. Die Hauptvertreter der Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Schiller und Goethe.

Das vorliegende Gedicht umfasst 173 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 26 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Friedrich Schiller sind „An die Sonne“, „An einen Moralisten“ und „Bacchus im Triller“. Zum Autor des Gedichtes „Einer jungen Freundin ins Stammbuch“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 220 Gedichte vor.

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