Das Füllen von Christian Fürchtegott Gellert

Ein Füllen, das die schwere Bürde
Des stolzen Reiters nie gefühlt,
Den blanken Zaum für eine Würde
Der zugerittnen Pferde hielt;
Dies Füllen lief nach allen Pferden,
Worauf es einen Mann erblickt,
Und wünschte, bald ein Roß zu werden,
Das Sattel, Zaum und Reiter schmückt.
 
Wie selten kennt die Ehrbegierde
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Das Glück, das sie zu wünschen pflegt!
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Das Reitzeug, die gewünschte Zierde,
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Wird diesem Füllen aufgelegt.
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Man führt es streichelnd hin und wieder,
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Daß es den Zwang gewohnen soll;
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Stolz geht das Füllen auf und nieder,
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Und stolz gefällt sich's selber wohl.
 
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Es kam mit prächtigen Gebärden
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Zurück in den verlassnen Stand
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Und machte wiehernd allen Pferden
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Sein neu erhaltnes Glück bekannt.
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»Ach!« sprach es zu dem nächsten Gaule,
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»Mich lobten alle, die mich sahn;
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Ein roter Zaum lief aus dem Maule
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Die schwarzen Mähnen stolz hinan.«
 
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Allein wie ging's am andern Tage?
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Das Füllen kam betrübt zurück,
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Und schwitzend sprach es: »Welche Plage
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Ist nicht mein eingebildet Glück!
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Zwar dient der Zaum, mich auszuputzen;
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Doch darum ward er nicht gemacht.
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Er ist zu meines Reiters Nutzen
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Und meiner Sklaverei erdacht.«
 
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Was wünscht man sich bei jungen Tagen?
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Ein Glück, das in die Augen fällt;
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Das Glück, ein prächtig Amt zu tragen,
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Das keiner doch zu spät erhält.
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Man eilt vergnügt, es zu erreichen;
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Und, seiner Freiheit ungetreu,
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Eilt man nach stolzen Ehrenzeichen
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Und desto tiefrer Sklaverei.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Das Füllen“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
227
Entstehungsjahr
1715 - 1769
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Füllen“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Christian Fürchtegott Gellert. Geboren wurde Gellert im Jahr 1715 in Hainichen. Im Zeitraum zwischen 1731 und 1769 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Aufklärung zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Gellert handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 227 Worte. Die Gedichte „Der Jüngling und der Greis“, „Krispin und Krispine“ und „Das Testament“ sind weitere Werke des Autors Christian Fürchtegott Gellert. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Füllen“ weitere 164 Gedichte vor.

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