Der Fuchs und die Elster von Christian Fürchtegott Gellert

Zur Elster sprach der Fuchs: »O! wenn ich fragen mag,
Was sprichst du doch den ganzen Tag?
Du sprichst wohl von besondern Dingen?«
»Die Wahrheit«, rief sie, »breit' ich aus.
Was keines weiß herauszubringen,
Bring' ich durch meinen Fleiß heraus,
Vom Adler bis zur Fledermaus.«
 
»Dürft' ich«, versetzt der Fuchs, »mit Bitten dich beschweren
So wünscht' ich mir, etwas von deiner Kunst zu hören.«
 
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So, wie ein weiser Arzt, der auf der Bühne steht
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Und seine Künste rühmt, bald vor, bald rückwärts geht,
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Sein seidnes Schnupftuch nimmt, sich räuspert und dann spricht:
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So lief die Elster auch den Ast bald auf, bald nieder
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Und strich an einen Zweig den Schnabel hin und wider
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Und macht ein sehr gelehrt Gesicht.
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Drauf fängt sie ernsthaft an und spricht:
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»Ich diene gern mit meinen Gaben,
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Denn ich behalte nichts für mich.
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Nicht wahr, Sie denken doch, daß Sie vier Füße haben?
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Allein, Herr Fuchs, Sie irren sich.
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Nur zugehört! Sie werden's finden,
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Denn ich beweis' es gleich mit Gründen.
 
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Ihr Fuß bewegt sich, wenn er geht,
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Und er bewegt sich nicht, so lang er stille steht;
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Doch merken Sie, was ich itzt sagen werde,
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Denn dieses ist es noch nicht ganz.
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So oft Ihr Fuß nur geht, so geht er auf der Erde.
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Betrachten Sie nun Ihren Schwanz.
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Sie sehen, wenn Ihr Fuß sich reget,
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Daß auch Ihr Schwanz sich mit beweget;
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Itzt ist Ihr Fuß bald hier, bald dort,
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Und so geht auch Ihr Schwanz mit auf der Erde fort,
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So oft Sie nach den Hühnern reisen.
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Daraus zieh' ich nunmehr den Schluß,
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Ihr Schwanz, das sei Ihr fünfter Fuß:
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Und dies, Herr Fuchs, war zu beweisen.«
 
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Ja, dieses hat uns noch gefehlt;
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Wie freu' ich mich, daß es bei Tieren
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Auch große Geister giebt, die alles demonstrieren!
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Mir hat's der Fuchs für ganz gewiß erzählt.
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Je minder sie verstehn, sprach dieses schlaue Vieh,
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Um desto mehr beweisen sie.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.2 KB)

Details zum Gedicht „Der Fuchs und die Elster“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
317
Entstehungsjahr
1715 - 1769
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Fuchs und die Elster“ des Autors Christian Fürchtegott Gellert. Der Autor Christian Fürchtegott Gellert wurde 1715 in Hainichen geboren. In der Zeit von 1731 bis 1769 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Aufklärung zugeordnet werden. Bei Gellert handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 317 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Christian Fürchtegott Gellert sind „Das Kind mit der Schere“, „Der junge Krebs und die Seemuschel“ und „Das Glück und die Liebe“. Zum Autor des Gedichtes „Der Fuchs und die Elster“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 164 Gedichte vor.

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