Einer Madonne von Charles Baudelaire
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Madonna · meine gebieterin · dir will ich bauen |
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Verborgenen altar aus meiner nöten tiefe |
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Und in meines herzens finsterstem winkel graben |
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Weit von der weltlichen lust und dem spöttischen blick |
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Eine nische ganz mit azur und gold überzogen |
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Wo du dich · verwundertes standbild · erheben sollst. |
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Aus meiner geglätteten verse reinem metall |
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Verständnisvoll übersät mit kristallenen reimen |
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Will ich für dein haupt eine mächtige krone bereiten. |
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Aus meiner eifersucht · sterbliche madonna · |
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Will ich einen mantel dir schneiden barbarischer art |
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Schwer und starr und ausgefüttert mit argwohn |
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Und der wie ein schützendes zelt deine reize umschliesst |
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Mit perlen nicht sondern mit all meinen thränen bestickt. |
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Dein kleid soll mein verlangen werden das zittert |
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Und wogt · mein verlangen das steigt und sich senkt · |
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Auf höhen sich schaukelt und in den thälern sich ausruht · |
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Mit küssen den weissen und rosigen leib dir umhüllt. |
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Mit meiner verehrung bereit ich dir schöne schuhe |
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Aus atlas · gedemütigt durch deinen göttlichen fuss · |
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Die ihn umschliessend in einer weichen umschlingung |
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Wie eine getreue form dem eindruck sich schmiegen. |
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Wenn ich es nicht trotz meiner emsigen künste vermag |
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Als schemel dir einen silbernen mond zu schneiden |
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So setz ich die schlange die in den geweiden mir nagt |
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(Dies ungeheuer mit hass und geifer geschwollen) |
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Dir unter die füsse damit du es trittst und verhöhnst · |
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O siegreiche königin und an erlösungen grosse! |
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Dann siehst du meine gedanken · geordnet wie kerzen |
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Vorm blumigen altar der jungfrauenkönigin |
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Mit widerscheinen die blaue decke bestirnend |
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Und immerfort dich mit feurigen augen betrachtend · |
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Und weil dich alles in mir bewundert und liebt |
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Wird alles zu benzoë weihrauch oliban mirre |
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Und unaufhörlich · o weisser und schneeiger gipfel · |
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Erhebt sich in dämpfen zu dir mein stürmischer geist. |
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Zum schluss · um ganz dich zu einer maria zu machen |
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Und um mit der liebe die grausamkeit zu vermischen – |
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O schwarze lust! aus den sieben entsetzlichsten sünden |
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Verfertig ich reuvoller henkersknecht sieben schwerter · |
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Wolgeschliffene · und wie ein gefühlloser gaukler |
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Erwähl ich mir deiner liebe Tiefstes als scheibe: |
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Ich pflanze sie alle in dein zuckendes herz |
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In dein schluchzendes herz in dein rieselndes herz. |
Details zum Gedicht „Einer Madonne“
Charles Baudelaire
2
44
341
nach 1837
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht ist von Charles Baudelaire, einem bedeutenden Dichter des 19. Jahrhunderts, der dem Französischen Symbolismus zugeordnet wird.
Das Gedicht entfaltet sich wie ein harmonisches und zugleich verzweifeltes Liebesgeständnis an eine Frau, die vom lyrischen Ich als Madonna verehrt wird. Seine Verehrung wird fast religiös, indem er sie auf einen Altar setzt, ihre Schönheit und Anmut mit wertvollen und prachtvollen Materialien vergleicht und sich ihr absolut unterwirft. Die Idealisierung der Geliebten wird deutlich, indem er ihre Körperlichkeit und ihre Schönheit in religiösen Bildern feiert und sie quasi zur Heiligen erhebt.
Gleichzeitig zeigt das lyrische Ich auch seine Eifersucht und macht klar, dass diese Liebe nicht ohne Schmerz ist. Im zweiten Teil des Gedichts kommt es zu einer drastischen Wende. Hier wird aus der idyllischen Verehrung eine obskure und fast sadistische Liebe. Er spricht von sieben Schwertern, die er in ihr Herz pflanzt und vergleicht sich dabei mit einem „gefühllosen Gaukler“. Dies verweist auf die Sieben Schmerzen Marias, eine christliche Ikonographie. Die starke und heftige Emotion des lyrischen Ichs zeigt eine komplizierte und von Konflikten geprägte Beziehung zur Geliebten auf.
Formal ist das Gedicht in freien Versen gestaltet, ohne Reim oder festes Metrum, was typisch für Baudelaire und den Symbolismus ist. Die Sprache ist reich an Bildern und Metaphern, was die Emotionalität und Intensität der Gefühle unterstreicht. Baudelaire nutzt immer wieder Kontraste zwischen heilig und profan, zwischen Liebe und Schmerz, die ein Spannungsfeld schaffen und die Komplexität der Gefühle vermitteln.
Zusammenfassend ist „Einer Madonne“ ein intensives Liebesgedicht, das durch seine hohe Emotionalität und komplexe Bildsprache besticht. Es zeigt eine idealisierte Liebe, die in großer Leidenschaft, aber auch in Schmerz und Eifersucht mündet. Baudelaire stellt damit Liebe als etwas dar, das sowohl erfüllend als auch zerstörerisch sein kann.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Einer Madonne“ des Autors Charles Baudelaire. Der Autor Charles Baudelaire wurde 1821 in Paris geboren. Zwischen den Jahren 1837 und 1867 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zuordnen. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das 341 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 2 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Charles Baudelaire sind „Aufschwung“, „Begräbnis“ und „Bertas Augen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Einer Madonne“ weitere 101 Gedichte vor.
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Zum Autor Charles Baudelaire sind auf abi-pur.de 101 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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