Eine Welke von Rainer Maria Rilke

Leicht, wie nach ihrem Tode,
trägt sie die Handschuh, das Tuch.
Ein Duft aus ihrer Kommode
verdrängte den lieben Geruch,
 
an dem sie sich früher erkannte.
Jetzt fragte sie lange nicht, wer
sie sei (: eine ferne Verwandte),
und geht in Gedanken umher
 
und sorgt für ein ängstliches Zimmer,
10 
das sie ordnet und schont,
11 
weil es vielleicht noch immer
12 
dasselbe Mädchen bewohnt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (23.8 KB)

Details zum Gedicht „Eine Welke“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
12
Anzahl Wörter
61
Entstehungsjahr
1918
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Eine Welke“ ist von Rainer Maria Rilke, einem bedeutenden Dichter der literarischen Moderne, der von 1875 bis 1926 lebte.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht melancholisch und nachdenklich und es versetzt die Leser*innen in eine Atmosphäre von Vergänglichkeit und Veränderung.

Inhaltlich handelt es von einer älter werdenden Frau, die scheinbar weg von ihrer ursprünglichen Persönlichkeit driftet. Sie ist wie eine verwelkte, reife Blume – daher der Titel „Eine Welke“. Das lyrische Ich beschreibt eine Frau, die sich äußerlich zurechtmacht (sie „trägt die Handschuh, das Tuch“), aber dabei den „lieben Geruch“, der sie ausmachte, verloren hat. Ihre Identität ist ihr fremd geworden (Vers 5-8) und sie scheint in einer Art Trance zu leben, in der sie auf Autopilot ihre täglichen Pflichten erledigt („und geht in Gedanken umher“). Sie pflegt ihr Zimmer sorgfältig, da es anscheinend noch immer das junge Mädchen beherbergt, das sie einst war (Vers 9-12).

Das lyrische Ich möchte wohl die Umwandlung und das Altern des menschlichen Lebens und der Identität aufzeigen.Es charakterisiert dies als einen melancholischen und vielleicht auch ein wenig tragischen Prozess.

In Bezug auf die Form und Sprache fällt auf, dass das Gedicht in drei Vierzeiler-Strophen unterteilt ist und einen relativ einfachen, leicht nachvollziehbaren Sprachstil nutzt. Die ausdrucksstarken Metaphern „Eine Duft aus ihrer Kommode verdrängte den lieben Geruch“ und „sie ordnet und schont,weil es vielleicht noch immer dasselbe Mädchen bewohnt“ drücken dabei besonders eindrücklich die tiefgreifenden Veränderungen aus, die die Frau durchlebt. Sie verdeutlichen die Distanz der alten Frau von ihrem jüngeren Ich und die Schwierigkeit, sich mit dem Altern abzufinden.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Eine Welke“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Rainer Maria Rilke. 1875 wurde Rilke in Prag geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1918. Erschienen ist der Text in Leipzig. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Der Schriftsteller Rilke ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 12 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 61 Worte. Die Gedichte „Abend“, „Abend in Skaane“ und „Absaloms Abfall“ sind weitere Werke des Autors Rainer Maria Rilke. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Eine Welke“ weitere 338 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Rainer Maria Rilke

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Rainer Maria Rilke und seinem Gedicht „Eine Welke“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Rainer Maria Rilke (Infos zum Autor)

Zum Autor Rainer Maria Rilke sind auf abi-pur.de 338 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.